Landwirtschaft und Biodiversität brauchen einander
Es sieht nicht gut aus. Wie der 2019 vorgelegte Bericht des Weltbiodiversitätsrats gezeigt hat, sind wir inmitten einer von uns Menschen verursachten globalen Biodiversitätskrise: Während sie diesen Beitrag lesen, stirbt irgendwo auf der Erde und meist unbemerkt eine Art aus. Österreich ist dabei leider keine Ausnahme.
Wie offizielle Zahlen belegen, ist jede dritte Art in Österreich auf der Roten Liste und damit bedroht, die Zahl der Brutvögel ist in nur 20 Jahren in Österreich um 42 Prozent eingebrochen und mehr als die Hälfte der Lebensräume Österreichs ist gefährdet. Und täglich werden in Österreich 13 Hektar neu verbaut – das entspricht etwa 25 Fußballfeldern, mehr als alle Vereine der Fußballbundesliga besitzen. Oder zwei Drittel der Fläche eines durchschnittlichen bäuerlichen Betriebs in Österreich mit etwa 20 Hektar.
Vielfalt unter Druck
Dabei ist Österreich das artenreichste Land Mitteleuropas, sogar artenreicher als viel größere Nachbarstaaten wie Deutschland. Dies liegt an der großen landschaftlichen Vielfalt von den hohen Bergen bis zur pannonischen Tiefebene im Osten. Diese außergewöhnliche Vielfalt ist über Jahrhunderte durch extensive – jedoch sehr beschwerliche – traditionelle Landnutzung noch gesteigert worden. Blumenwiesen, Streuobstwiesen und Hecken verdanken ihre Existenz den Bauern. In den vergangenen Jahrzehnten ist diese Vielfalt massiv unter Druck gekommen. Dafür gibt es nicht eine alleinige Ursache, die Land- und Forstwirtschaft spielen aber eine wesentliche Rolle. Immer intensivere Landnutzung in den Gunstlagen, sowie die Aufgabe von schwierig zu nutzenden Flächen – die jedoch meist besonders artenreich sind – sind seit dem zweiten Weltkrieg die vorherrschenden Trends. Daran haben auch die Anstrengungen des Naturschutzes und engagierter Bauern, das im EU-Vergleich gut ausgestattete österreichische Agrarumweltprogramm ÖPUL, sowie der hohe Anteil der Bio-Landwirtschaft nichts grundlegend ändern können.
Leistungen abgelten
Die Beiträge der Bio-Landwirtschaft für eine intakte Natur sind unbestritten. Dennoch muss auch im Bio-Landbau der Schutz der Artenvielfalt am Betrieb künftig noch stärker in den Richtlinien und in den Köpfen und Herzen verankert werden. Und diese Leistungen muss die Gesellschaft angemessen – also besser als bisher – honorieren. Die Erhaltung, Wiederanlage und Nutzung artenreicher Lebensräume muss für Landwirte attraktiv sein, und dafür braucht es mehr Geld. Die wesentlichste Stellschraube ist hier eine Änderung in der Agrarpolitik, vor allem das derzeit in Ausarbeitung befindliche Agrarumweltprogramm ÖPUL ist entscheidend. Hier ist aber bislang erkennbar, dass das Ziel einer wirklich nachhaltigen Landwirtschaft weiterhin nicht ausreichend umgesetzt wird. Dies ist zum Schaden der Natur, der Landschaft und letztlich auch der Bauern.
Naturschutz, Klimaschutz und Landwirtschaft sind Verbündete. Dies wird aber nicht immer so gesehen. Jedoch, eine bäuerliche Landwirtschaft, die gesunde Nahrungsmittel produziert, die Artenvielfalt erhält und die an die sich verschärfenden Auswirkungen des Klimawandels angepasst ist, kann nicht gegen die Natur arbeiten. Daher ist es wichtig, dass bestehende Differenzen überwunden werden, denn die gemeinsamen Interessen überwiegen weitaus. Und jeder Konsument kann hier auch einen wichtigen Beitrag leisten, indem er die besten, und nicht die billigsten, Nahrungsmitteln kauft.
Politische Strategien
Der Anfang April durch Bundesministerin Gewessler bekannt gegebene Beitritt Österreichs zur „High Ambition Coalition for Nature and People“ war ein wichtiges Bekenntnis zu einer ambitionierten Biodiversitätspolitik. Dieser zwischenstaatlichen Gruppierung unter der Führung von Frankreich haben sich mittlerweile über 50 Staaten weltweit angeschlossen. Ein erster Schritt hin zu mehr Biodiversität in Österreich wurde Mitte April mit der Aufstockung des nationalen Biodiversitätsfonds von fünf Millionen auf 50 Millionen Euro gesetzt.
Die EU-Kommission nimmt mit dem Green Deal, der dazugehörigen Farm to Fork-Strategie, und der EU-Biodiversitätsstrategie die Mitgliedsstaaten in die Pflicht. Ich erwarte mir, dass Österreich den Green Deal vorbehaltlos unterstützt und zwar auch dann, wenn es um konkrete und verbindliche Ziele geht. Und dass Österreich hier auch voranschreitet. Die Bevölkerung fordert eine solche Trendwende sowieso schon längst von der Politik ein, mehr als 85 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen bekennen sich bei der regelmäßig durchgeführten Eurobarometer-Umfrage zu einem verstärkten Schutz der Biodiversität. Das Thema ist schon längst in der Gesellschaft angekommen. Ich denke, die Bio-Landwirtschaft Österreichs sollte dies als Auftrag verstehen und die Umgestaltung zu einer nachhaltigen Landwirtschaft einfordern. Das ist mühsam, aber machbar, und vor allem: Nötig!
Autor: Assoz.-Prof. Dr. Franz Essl lehrt und forscht als Ökologe an der Universität Wien. Er gehört dem Leitungsteam des 2019 gegründeten Österreichischen Biodiversitätsrates an.