Die Letzte Generation

© BIO AUSTRIA/Liebentritt

Ist das Klima noch zu retten?

Auf den Straßen kleben sich junge Menschen fest, und fordern so den Zorn der blockierten Autofahrer:innen heraus. Bei manchen kehrt der Frust über die gestohlene Zeit deren schlechteste Seiten heraus – teils mit Gewalt versuchen sie die Blockade aufzulösen. Haben sie recht? Und …

… richtet sich ihre Wut gegen die Richtigen?

Worum geht es denn?

Auf der einen Seite verzweifelte, vorwiegend junge Menschen, die nicht länger zusehen wollen, wie ihre Zukunft wirtschaftlichen Interessen geopfert wird. Die Schülerin Greta Thunberg hat 2018 mit ihren hartnäckigen Freitagstreiks eine weltweite Bewegung, Fridays for Future, ins Rollen gebracht. Sie hat den bisher Ungehörten Hoffnung gegeben, etwas verändern zu können. Gefühlt haben erstmals seit den 1980iger Jahren, als Bürger:innenbewegungen das Atomkraftwerk Zwentendorf und das Wasserkraftwerk Hainburg erfolgreich verhinderten, Einzelne wieder die Chance etwas zu bewirken. Deshalb kleben sie sich auf die Straßen, um ihre Forderungen gegen den Klimawandel, wie ein Tempolimit von 100 auf der Autobahn, nicht ungehört verhallen zu lassen.  

Auf der anderen Seite Autofahrer:innen, die verständlicherweise verärgert sind, weil sie nicht vorwärts kommen. Teile der Presse schüren durch Meldungen von feststeckenden Krankenwägen und durch die Kriminalisierung der Aktivist:innen den Zorn weiter. Aber sollte sich der Zorn der Lenker:innen nicht eher gegen diejenigen richten, die ihnen keine vernünftigen Alternativen z.B. in Form von öffentlichem Verkehr anbieten? Die ohne Rücksicht auf Verluste weiter machen wollen wie bisher? Die nichts an unserem Wirtschafts- und Finanzsystem, das Wachstum braucht um stabil zu sein, ändern wollen? Einem System, das uns einredet, dass wir Sinn durch Konsum erfahren, dass Status etwas über unseren Wert als Mensch aussagt?

Am Wissen liegt’s nicht

Eigentlich wissen wir alles. Internationale Wissenschafter:innen liefern seit Jahrzehnten Informationen zu den Folgen unbegrenzten Wachstums in einer Welt begrenzter Ressourcen. Sie entwerfen unterschiedliche Szenarien, die auch den Klimawandel als ein Symptom der Übernutzung umreißen.

Nach dem Ende des 2. Weltkriegs war es wichtig, genügend Nahrungsmittel für die Bevölkerung zu liefern – der Fokus lag auf der Ertragsmaximierung. Zum damaligen Zeitpunkt eine Notwendigkeit. Genügend Lebensmittel und die Globalisierung des Marktes, die alle voneinander abhängig macht, sollten den Wunsch nach „Niemals wieder Krieg“ unterstützen. Wie sehr der Markt international verwoben ist, haben wir während der Coronakrise gemerkt. Nur darin, dass diese Verwebung Kriege verhindern könnte, haben wir uns getäuscht.

Die Nachkriegszeit war die Zeit des Wirtschaftswunders, des materiellen Aufschwungs, der bis in die 70iger Jahre ungebremst anhielt. Die Menschen in Europa wollten und konnten sich mehr leisten: größere Autos, mehr Technik, mehr Flugreisen. Weltweit betrachtet wurden letztes Mal 1972 nur so viel Ressourcen verbraucht wie in einem Jahr erneuert werden können. In Österreich hielten sich Verbrauch und Erneuerung von Ressourcen bis 1965 die Waage. 2024 reichten die von Österreich verbrauchten Ressourcen gerade Mal bis zum 7. April!

Wer nicht hören will …

Warum hat man nicht auf die Warnungen von Wissenschafter:innen wie Rachel Carson, Autorin von „Der stumme Frühling“ (1962) oder Dennis Meadows gehört, der in seinem Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ (1972) eindringlich davor warnte, mehr Ressourcen zu verbrauchen als der Planet erneuern kann. Weshalb nicht auf die Schlussfolgerungen des ersten Weltklimarats in Genf 1979?

Weshalb hat man also so viel kostbare Zeit verloren?

Einerseits, so beschreibt es Helga Kromp-Kolb in ihrem Buch „Für Pessimismus ist es zu spät“, wurde seitens der fossilen Industrie viel Geld in die Hand genommen, um Lobbyingarbeit zu betreiben, Forscher:innen zu diskreditieren und wider besseren Wissens die Auswirkungen auf das Klima zu negieren. 

Andererseits war der Klimawandel bis vor ein paar Jahren noch nicht wirklich spürbar, er war eine abstrakte Größe und wurde von den Menschen deshalb nicht als Bedrohung wahrgenommen. Die Öffentlichkeit wäre angesichts der fehlenden Dringlichkeit schwer von unpopulären aber notwendigen Maßnahmen zu überzeugen gewesen. „Don’t kill the Messenger“ ist häufig leider immer noch nicht mehr als ein frommer Wunsch. Politische Parteien tun sich schwer damit. Sie haben die nächste Wahl vor Augen. Doch inzwischen ist die Botschaft bei großen Teilen der Bürger:innen angekommen. Sie fordern klimapolitische Maßnahmen ein, Wirtschaft und Politik hinken noch hinterher. Aber die nächsten Wahlen nahen…

… muss fühlen!

Die Lage ist ernst. Vor der industriellen Revolution waren etwa 250-275 parts per million (ppm) CO2 in der Atmosphäre, jetzt sind es 400 ppm. Einher geht dieser Anstieg mit einer globalen Erderwärmung um aktuell 1,5°C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit.

Wissenschafter:innen vermuten, dass diese 1,5°C einen Kipppunkt markieren, also einen Punkt ab dem es kein Zurück mehr gibt, ab dem das Klima nicht mehr stabilisiert werden kann. Deshalb ist es so wichtig, diese im Pariser Klimaziel definierte Grenze nicht zu überschreiten.

Aber auch wenn wir das schaffen, wird es große Veränderungen geben. Die UN schätzt, dass bereits heute 1,2 Millionen Menschen pro Jahr allein infolge von Unterernährung durch klimawandelbedingte Dürren sowie durch extreme Hitze, Extremwetterereignisse und erhöhte Infektionsgefahr sterben. In Zukunft werden diese Extreme weiter zunehmen. Hitzesommer wie der in Europa von 2003, dem geschätzte 30-70.000 Menschen zum Opfer fielen, werden alle zwei bis drei Jahre auftreten. Was wir heute als Rekordtemperaturen empfinden, wird normal sein und auch in unseren Breitengraden werden 2,6 Dürremonate jährlich keine Ausnahme mehr darstellen. Außerdem kommt es zu einem irreversiblen Anstieg des Meeresspiegels von 4 Millimetern pro Jahr. Was das für die rund 680 Millionen Menschen bedeutet, die in direkter Küstennähe oder auf kleinen Inseln leben, mag man sich gar nicht vorstellen. Schon jetzt plant Indonesien, seine Hauptstadt nach Boreno zu verlegen, weil Jakarta zu versinken droht. Ein ähnliches Schicksal droht kleinen Inselstaaten wie Fidschi oder Tuvalu.

Anders, aber gut

Die schlechte Nachricht: Wir werden unseren jetzigen Lebensstil ändern müssen. Die Treibhausgasemissionen MÜSSEN reduziert werden. Das können wir nur erreichen, wenn wir an allen uns zur Verfügung stehenden Hebeln drehen.

Ein Hebel wäre die Ernährung: Reduktion des Fleischkonsums und biologische Ernährungsweise zum Beispiel. Erhöht man den Bio-Anteil an der Ernährung auf 70 Prozent und reduziert den Fleischkonsum von derzeit 63 auf 22 kg pro Kopf und Jahr1 könnten die ernährungsbedingten Treibhausgase in Österreich um 41 Prozent verringert werden.2

Der Ausbau erneuerbarer Energien und die effizientere Nutzung durch technologische Innovationen wären andere Hebel.

Jedenfalls werden wir beim nötigen Komplettumstieg auf erneuerbare Energien schätzungsweise nur noch halb so viel Energie pro Kopf zur Verfügung haben wie heute. So viel nämlich wie weltweit 1978 bzw. in Österreich 1965. Das bedeutet weniger Autos, weniger Flugreisen, weniger energieintensive Landwirtschaftsformen stattdessen zum Beispiel mehr Bio-Landbau.  Das bedeutet auch das absolute Minimum an Wegwerfprodukten sowie das Ende von geplanter Obsoleszenz, Bodenversiegelung und Fast Fashion.

Die gute Nachricht: das kann durchaus positiv sein. Denn anstelle unseres jetzigen Lebensstils könnte eine suffiziente Lebensform treten, die Zufriedenheit und Glück abseits von Konsumzwang bietet. Fragt man alte Menschen, was sie in ihrem Leben anders machen würden, wenn sie könnten, antworten sie nie, dass sie gerne mehr Besitz anhäufen würden. Sie sagen eigentlich immer, dass sie mehr Zeit mit Freunden und Familie verbringen, sich weniger von gesellschaftlichen Normen einschränken lassen und stattdessen das tun würden, was ihnen wirklich Freude bereitet und glückliche Momente beschert. 

Wenn wir es schaffen, unser Gesellschaftssystem so zu wandeln, dass innere Werte mehr zählen als Status, dass es nicht mehr wichtig ist zu besitzen, sondern was wir benötigen zur Verfügung zu haben, dann liegt in dieser Krise eine Riesenchance für unserer Gesellschaft. Auch wenn dieser Wandel nicht ganz freiwillig erfolgt: Unsere Gesellschaft könnte sich in eine bessere Variante ihrer selbst transformieren.


1 wie von der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung empfohlen

2 Thomas Lindenthal 2019

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