Vom Funken zur Flamme

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Was kann ich dafür tun, damit innovative Ideen auf unserem Betrieb entstehen? Was braucht es, damit diese Ideen Gestalt annehmen, zu neuen Angeboten oder verbesserten Verfahren führen und daraus auch ein Nutzen für uns und andere entsteht?

Von einer Innovation spricht man dann, wenn eine neue Idee oder Erfindung tatsächlich in die Umsetzung kommt und den Markt durchdringt. Viele Innovationen in der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft gehen auf Ideen von Bäuerinnen und Bauern zurück. Oft jedoch bleiben auch vielversprechende Ideen stecken oder der Rahm wird von anderen abgeschöpft.

Und um gleich mit einem Vorurteil aufzuräumen und um Sie als Leserin und Leser bei der Stange zu halten: Jeder Bauernhof und jeder von uns verfügt über Innovationskraft und braucht Innovation! Allein schon, um Innovationen anderer und neue technische Möglichkeiten für sich und den Betrieb sinnvoll zu nutzen. Aber auch, um auf neue ökologische, soziale und wirtschaftliche Entwicklungen und die damit verbundenen Chancen und Risiken zu reagieren.
Wie kommt es aber überhaupt zu einer Innovation? Dafür ausschlaggebend sind jedenfalls fruchtende Netzwerke und ein vertrauensvolles Klima.

Netzwerke als Keimzellen


Innovation ist in den seltensten Fällen das Werk eines oder einer Einzelnen. Partnerschaften und kleine Gruppen, die mehr verbindet als reine Arbeitsbeziehungen, sind häufig der Ausgangspunkt, damit aus einem ersten Funken, zum Beispiel einer guten Idee, eine Flamme wird. Dafür braucht es auch Zeit und Muße: Viele von uns kennen die Erfahrung, dass Kreativität häufig in „absichtslosen“ Situationen und Gesprächen entsteht und eher seltener unter Druck. Besonders fruchtbar sind Netzwerke und Beziehungen, die verschieden sind, die also über die „eigene Blase“ hinausgehen. So beobachtet man beispielsweise auf landwirtschaftlichen Betrieben mit Quereinsteigern besonders häufig innovative Ideen und Konzepte.

Sicherheit als Nährboden


Psychologische Sicherheit bedeutet ein vertrauensvolles Klima, in dem Menschen Bedenken, Fragen und Ideen äußern können, ohne dass sie Angst vor Zurückweisung, Abwertung oder anderen zwischenmenschlichen Nachteilen haben. Untersuchungen haben gezeigt, dass sogar die Beobachtung von existenziellen Bedrohungen und Fehlern, aber auch wertvolle Ideen und Verbesserungsvorschläge häufig genau aus diesem Grund nicht geäußert werden. Ein prominentes Beispiel ist der VW-Diesel-Skandal, in dem ein Klima der Angst dafür sorgte, dass begründete Zweifel an der Erreichbarkeit des Ziels nicht an die Chefs berichtet wurden und das Risiko eines Betrugs bevorzugt wurde. Wenn es darum geht, wirklich Neues zu entwickeln und auszuprobieren, ist es entscheidend, dass („verkraftbare“) Fehler gemacht werden und darüber offen und konstruktiv geredet wird. Das ist – auch in kleinen Betrieben – eher die Ausnahme als die Regel.
Wie kann man ein solches Klima der psychologischen Sicherheit fördern? Entscheidend ist hier das Vorbild von Führungskräften und Betriebsleiterinnen und Betriebsleitern. Sie können beispielsweise Sätze aussprechen wie „Ich weiß es nicht!“, „Ich habe einen Fehler gemacht.“, „Was sind deine Bedenken?“, „Ich bräuchte deine Unterstützung.“

Im Laufe eines Innovationsprozesses gibt es unterschiedliche Phasen und jede braucht andere Kompetenzen.

Anfangsidee und Inspiration

In diesen beiden Phasen entsteht aufgrund eines Problems oder aufgrund einer Gelegenheit, die sich bietet, eine neue Idee. Andere werden von der Idee begeistert, entwickeln sie möglicherweise weiter und bilden ein Netzwerk.

Wichtig in diesen Phasen sind:


o Die Bereitschaft von Einzelnen, über die eigene Komfortzone und das eigene Milieu hinauszugehen, Ideen zu entwickeln und diese auszusprechen.
o Ein (meist informelles) Netzwerk von Partnern, die sich für diese Ideen begeistern und Lust haben, gemeinsam daran zu feilen.
o Unterschiedliche Sichtweisen, Erfahrungshintergründe und Perspektiven, um diese Ideen weiterzuentwickeln.

Planung und Entwicklung

In diesen Phasen geht es darum, einen Plan zu entwickeln, wie die Umsetzung angegangen und die Idee mit überschaubarem Risiko in der Praxis erprobt und weiterentwickelt werden kann.

Wichtig in diesen Phasen sind:
o Planung mit Salamitaktik: Stecken Sie sich Zwischenziele und zerlegen Sie die anstehenden Wegabschnitte in kleine konkrete Schritte, die Sie auch in kleinen Zeitfenstern neben Stall- und Feldarbeit erledigen können.
o Verschiedene Wege führen zum Ziel: Entwickeln und durchdenken Sie unterschiedliche Optionen, anstatt sich zu früh auf den scheinbar einfachsten Weg festzulegen.
o Handlungsspielraum schaffen: Kalkulieren und definieren Sie, wieviel Zeit und Geld Sie für die Entwicklung und Erprobung einsetzen können und wollen, ohne ihren Betrieb und sich selbst zu gefährden. Und falls Sie wesentliche Teile des Arbeitseinsatzes für Planung und Entwicklung selbst leisten wollen: Wie sorgen Sie für den notwendigen Freiraum? In welchen anderen Feldern treten Sie kürzer? Wer könnte arbeitsmäßig entlasten, unterstützen und/oder ihr Partner sein?
o Probieren geht über studieren: Mal die ersten fünf Weideschweine mästen und testen, wie sie bei den Kunden ankommen. Mal fünf Tage in einer Green-Care-Einrichtung mitarbeiten und feststellen, wie einem die Kombination aus Landwirtschaft und sozialer Betreuungsarbeit liegt. Entwickeln und erproben Sie möglichst schnell „Prototypen“, anstatt gleich ins volle Risiko zu gehen oder sich ewig im „Gedankenkarussell“ zu drehen.
o Partner und Fördermöglichkeiten:
Diese Phase der Innovation erfordert komplexes Projektmanagement. Für viele Landwirte ist es kein Heimspiel. Aber es gibt fitte Beraterinnen und Berater, die damit Erfahrung haben. Und über ein oder zwei Ecken kennen Sie möglicherweise jemanden im Verwandten- oder Bekanntenkreis, der beruflich Projektmanagement betreibt und Lust hat, Sie zu unterstützen. Mit begrenztem Zeiteinsatz sind hier große Effekte möglich.
o „Würdig Scheitern“
„Pikieren“, also das Aussortieren und rechtzeitige Loslassen einer Idee oder eines Prototypen, gehört zum Wesen erfolgreicher Innovation. Möglicherweise ist die Technik noch nicht reif, der Nutzen geringer als erwartet, der Markt dafür noch nicht bereit oder der Entwicklungsaufwand viel höher als gedacht. Prüfen Sie deshalb von Zeit zu Zeit, ob und wie die Erfolgsaussichten sich geändert haben. Nehmen Sie gegebenenfalls würdig Abschied und seien Sie dankbar für das Gelernte und dafür, dass Sie die Risiken rechtzeitig erkannt und darauf reagiert haben.

Unterstützung holen


Sofern eine Innovation viel Entwicklungsarbeit erfordert und Potenzial über den eigenen Betrieb hinaus hat, sollten Sie Förder- und Kooperationsmöglichkeiten prüfen. Es gibt Stiftungen und Förderbanken, die Interesse haben könnten, Sie zu unterstützen. Wissenschaftler und Hochschulen können Sie bei der Entwicklung durch Recherchen oder Versuche begleiten. Einige erfinderische Landwirte sind erfolgreiche Kooperationen mit Landtechnikherstellern oder anderen Wirtschaftspartnern eingegangen und haben – unterstützt durch deren Know-How und Finanzkraft – Entwicklungen bis zur Marktreife gebracht. Beschäftigen Sie sich in dem Fall früh genug und mit externer Beratung, wie auch Sie am wirtschaftlichen Erfolg, zum Beispiel durch Patentschutz, Honorierungs- und Beteiligungsmodelle, teilhaben können.

Umsetzung und Verbreitung


Wenn es um eine innerbetriebliche Innovation geht, also darum, einen neuen Betriebszweig, ein neues Verfahren oder ein neues Angebot zu etablieren, dann geht es in dieser Phase (neben der technischen Realisierung) vor allem auch darum, ihre Mitarbeitenden und Partner einzubeziehen und mitzunehmen, damit „aus Ihrem Baby ein gemeinsames Kind“ wird. Die Rollen und Aufgaben müssen in dieser Phase meist neu verteilt und ins Tagesgeschäft integriert werden.

Handelt es sich um eine Innovation, die Nutzen über den einzelnen Betrieb hinaus erzeugen kann, dann ist Netzwerken und Kooperieren ausschlaggebend. An dieser Stelle spätestens sollten andere Akteure wie zum Beispiel Innovationsförderer, Verbände, Medien, Wirtschaftspartner, Politik oder Verwaltung die Hauptverantwortung übernehmen, sofern es Schnittmengen mit deren Zielen gibt.

Trainer:

Thomas Fisel, Trainer, Organisationsberater und systemischer Coach, Stadtbergen