Automatisierung im Milchviehstall
Es gibt kaum einen Milchviehstall ohne Technik. Von der Kraftfutterstation bis zu komplexen Herdenmanagementsystemen. Trotzdem sind eine gute Beobachtungsgabe und Zeit für die Tiere wesentlich für den Erfolg im Stall.
Die Automatisierung im Milchviehstall hat bereits in den 70er Jahren in Form von Kraftfutterstationen und Pedometern, welche Bewegung sowie Stand- und Liegezeiten messen, begonnen. Mit der zunehmenden Technisierung finden nun auch verstärkt komplexere Systeme wie automatische Melk- und Fütterungssysteme Einzug in den Stallungen.
Fütterung
Automatische Fütterungssysteme In der Fütterung ist die Automatisierung keine Neuheit – viele Betriebe verwenden beispielsweise Kraftfutterabrufstationen. Manchen setzen mittlerweile auf die nächste Weiterentwicklung: Automatische Fütterungssysteme (AFS). Darunter ist das automatische Mischen von Grund- und Kraftfutter und eine darauffolgende Zuteilung des Futters zu verstehen. Dadurch ist auch ein mehrmaliges Füttern pro Tag möglich. Zudem erleichtern es „Fütterungsroboter“ unterschiedliche Fütterungsgruppen zu bilden, dadurch kann besser auf den jeweiligen Nährstoffbedarf der Tiere eingegangen werden.
Futterschieber Etwas mehr Betriebe nutzen bereits Systeme zum Futter anschieben. Neben dem regelmäßigen Anschieben des Futters kann das System kleine Mengen Kraft- oder Mineralfutter auf das Grundfutter streuen. Die Kühe werden so zum Futtertisch gelockt und zum Fressen animiert. Wie in der freien Natur nehmen die Kühe dadurch mehrere kleine Mahlzeiten auf.
Reinhard Reisinger aus St. Peter am Wimberg setzt den Futteranschieber Lely Juno in Kombination mit dem Melkroboter ein. Bei 83 Milchkühen ist das eine Arbeitserleichterung von rund einer halben Stunde pro Tag. Wesentlicher als diese ist aber, dass die Kühe in Kombination mit einer Lichtschaltung eine bessere Milchleistung haben und die Frequenz der Nutzung des Melkroboters vor allem in der Nacht weitaus größer ist, da die Kühe durch den Futternachschieber zum Fressen angeregt werden.
Das Gerät ist seit vier Jahren im Einsatz und die Vorteile sind in Kombination mit dem Melkroboter zu sehen. Es können verschiedene Routen mit unterschiedlichen Breiten eingestellt werden. Die Routen werden nach dem Vorlegen mit einem Mischwagen innerhalb von 24 Stunden achtmal abgefahren. Was den Vorteil hat, dass das Futter schön am Fressgitter liegt und nicht überall verteilt ist. Die Kühe haben sich schnell an den Lely Juno gewöhnt. Auch Manfred Lang aus Sarleinsbach hat einen Futternachschieber mit zusätzlichem Lockfutterstreuer im Einsatz. Bei seinen 58 Milchkühen spart er sich so circa eine Stunde pro Tag, die Arbeitserleichterung war auch die Motivation für die Anschaffung. Es wird nur mehr einmal am Tag eingefüttert. Am Futtertisch sind kleine Magnete angebracht, an denen sich der Futternachschieber orientiert und so die eingespeicherten Routen abfährt. In der Nacht wird dreimal Futter vorgelegt. In Kombination mit dem Melkroboter sieht Manfred Lang den „Butler“ als eine sehr tiergerechte Investition, da seine Kühe das tun können, was gerade ihr Bedürfnis ist.
Kälbertränkeautomaten Auch der Kälberbereich wird teilweise automatisiert. Seit einigen Jahren werden Kälbertränkeautomaten angeboten. Je nach Fütterungsplan ist es möglich, die Kälber dabei ad libitum (ohne Begrenzung) oder restriktiv zu füttern. Auf den österreichischen Betrieben sind diese Systeme vereinzelt, aber vor allem auf größeren Betrieben zu finden.
Melktechnik
Die Zahl der Betriebe mit automatisierter Melktechnik (AMS) steigt seit Jahren stark an. In Oberösterreich sind beispielsweise auf circa 330 Betrieben Melkroboter im Einsatz. Die Hauptmotivation für die Investition ist eine Verbesserung der Lebensqualität, Arbeitserleichterung, höhere Flexibilität sowie Verbesserung des Tierwohls. Wie in der freien Natur, ermöglicht der Melkroboter ein häufigeres und individuelleres Melken. Gerade in der ersten Laktationshälfte gehen die Kühe freiwillig deutlich öfter melken als in Melkständen üblich. Die automatisierte Melktechnik bedeutet jedoch hohe Investitions- sowie laufende Kosten und damit ist auch ein besonderer Blick auf die Wirtschaftlichkeit wichtig.
Einstreuen und Entmisten
Vor allem bei Strohsystemen (Tretmist, Tiefstall) beansprucht das regelmäßige Einstreuen einen großen Arbeitsblock. Um dies zu erleichtern, werden automatische Einstreusysteme angeboten. Im klassischen Milchvieh-Liegeboxenlaufstall sind diese Systeme noch eher selten zu finden.
Um den Infektionsdruck im Stall gering zu halten, ist die regelmäßige Reinigung der Laufflächen notwendig. Die Schrapperentmistung erleichtert bereits seit Jahrzehnten diese Tätigkeit. Vereinzelt können mittlerweile Reinigungsroboter in den Ställen beobachtet werden. Ähnlich wie der Saugroboter in der Wohnung, reinigt dieser die Laufflächen. Der Spaltenroboter schiebt dazu den anfallenden Mist ab, welcher anschließend durch die Spalten fällt. Neuere Reinigungsroboter können den Mist auch von planbefestigten Flächen aufsammeln und wegtransportieren. Die Motivation hinter dieser Entwicklung liegt in der Arbeitszeiteinsparung sowie einer optimalen Hygiene im Kuhstall – dies wirkt sich wiederum auf eine bessere Euter- sowie Klauengesundheit aus.
Nikolaus Franzl aus Dorfen bei Erding in Bayern führt einen Bio-Milchviehbetreib mit 55 Milchkühen. Seit dem Umbau in einen Liegeboxenlaufstall hat er ein Strohmatic Einstreusystem der Firma Schauer Agrotronic. Das bedeutet für ihn vor allem mehr Lebensqualität durch Arbeitszeitersparnis. Das vollautomatische System löst die Quaderballen zentral auf, häckselt das Stroh und verteilt es durch eine Förderanlage gleichmäßig im Stall. Aufgrund einer Absaugung entsteht viel weniger Staub. Nikolaus Franzl und seine Frau möchten das Gerät nicht mehr missen, ebenso den Mulitlactor von Silicon Form. Weil man mit diesem „so melkt wie das Kalb saugt“. Niedrigvakuum und viertelindividuelle und sequenzielle Pulsation ermöglichen ein perfektes tierschonendes Ausmelken. Eine automatische Zwischendesinfektion mit Essigsäure verbessert zudem die Eutergesundheit.
Stallklima
Auch im Bereich Stallklima hält die Automatisierung Einzug. Viele Ställe sind mit Ventilatoren, Kuhduschen, Schlauchlüftungen oder auch Curtain-Systemen ausgestattet. Im Idealfall sind die Systeme automatisch über Wettersensoren gesteuert. Vor allem an heißen Sommertagen ist verstärkt das Auftreten von Hitzestress zu beobachten. Milchleistung und Tierwohlbefinden werden dadurch merklich beeinträchtigt. Durch moderne Klimaführungssysteme können Hitzestresssymptome reduziert und auch die Luftqualität deutlich verbessert werden.
Herdenmanagement
In den letzten Jahren setzen immer mehr Landwirte auf Systeme zur Gesundheitsüberwachung. Dazu werden auf Basis von Tierdaten über Algorithmen Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Ereignisse wie Brunst oder Abkalbung errechnet. Der Landwirt wird anschließend über Smartphone und Computer benachrichtigt.
Bereits seit Jahren wird beispielsweise das Aktivitätsverhalten der Kühe über Pedometer erfasst, diese Daten ermöglichen Rückschlüsse auf das Brunstverhalten. Neuere Systeme setzen zudem auf Fressverhalten, Körpertemperaturmessung und Ortung, dadurch sind genauere Prognosen und bessere Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand möglich. Betriebe berichten mehrheitlich von guten Erfahrungen mit diesen Systemen. Besonderes Augenmerk wird auf das Fressverhalten gelegt. Eine Reduzierung deutet meist frühzeitig auf gesundheitliche Probleme hin. Durch rascheres Eingreifen kann der Behandlungserfolg sowie die Tiergesundheit verbessert werden.
Richtig einsetzen
Die Praxis zeigt: Immer mehr Betriebe setzen auf (Teil)-Automatisierung. Diese kann eine effizientere Produktion ermöglichen. Zugleich kann die körperliche Arbeitsbelastung verringert und die zeitliche Flexibilität erhöht werden. Viele Systeme dienen überdies dem Wohlbefinden der Tiere. Es ist jedoch auch auf die Kehrseite der Medaille zu achten. Automatisierung kostet Geld! Teilweise erfordert dies einen steigenden Produktionsumfang, um ein gleiches Einkommen zu erwirtschaften. Auch die tägliche Arbeit verändert sich, die Technik erledigt zwar die Arbeit, dies erfordert jedoch eine genaue Planung, denn Technik kann nur unterstützend wirken, wenn sie richtig eingesetzt wird.
Mit zunehmender Automatisierung ändern sich die Herausforderungen. In Zukunft wird es immer wichtiger, dass die verschiedenen Systeme auch miteinander „kommunizieren“. Beispielsweise, dass der Schrapper, während der automatischen Futtervorlage nicht fährt. Nur dadurch können die Systeme bestmöglich eingesetzt werden. Es ist immer im Einzelfall zu beurteilen unter Berücksichtigung der Betriebsgröße, Betriebsausstattung oder Affinität zur Technik, ob eine Automatisierung Sinn macht. Einige Entwicklungen bieten durchaus Vorteile für Mensch und Tier und haben sich auch bereits in der Praxis durchgesetzt. Dennoch ist nicht zu vergessen: Auch mit der gut bewährten bäuerlichen Praxis lässt sich mit gesunden Tieren beste Milch gewinnen. Das wichtigste ist und bleibt der Mensch. Gute Tierkenntnis und Beobachtung sind die Grundlage für eine erfolgreiche Milcherzeugung.
Autor:
DDI Josef Wolfthaler, LK Oberösterreich