Bio oder konventionell? Die Sache mit dem Status

© BIO AUSTRIA/Veronika Edler

Die Richtlinien, die die Umstellungszeit regeln, sind alles andere als neu. Trotzdem kommt es in diesem Bereich immer wieder zu Fehlern und Missverständnissen, die in teils schwere Sanktionen münden. 

Die Lektüre dieses Textes ist nicht nur für Bio-Neueinsteiger sinnvoll, auch altehrwürdige Bio-Bauern sollten sich mit diesem Thema wieder mal beschäftigen!

Wann treten gehäuft Probleme auf?

Die tierische Umstellungszeit betrifft Landwirte hauptsächlich in zwei Bereichen. Einerseits zu Beginn der Biobauernkarriere während der Umstellungszeit und andererseits, wenn anerkannte Bio-Landwirte im Rahmen der Ausnahmeregelungen konventionelle Tiere zukaufen oder Tiere infolge von Krankheiten behandelt werden. Bei Schafen, Ziegen, Schweine und Geflügel gibt es kaum Schwierigkeiten, da bei diesen Tieren fix festgelegte Umstellungsfristen gelten. Bei Rindern hingegen werden individuelle Umstellungszeiten berechnet. Aus diesem Grund gibt es hier die meisten Probleme. Der nachfolgende Text dreht sich daher hauptsächlich um Rinder.

Umstellung der Bewirtschaftung auf Bio

Schon zu Beginn der Umstellung von konventionellem auf ökologisches Wirtschaften gilt es vorsichtig zu sein:

  • Die gesamtbetriebliche Umstellung verläuft unkompliziert. Hier gelten tierische Erzeugnisse, egal ob Fleisch oder Milch nach Ablauf von zwei Jahren ab Kontrollvertragsunterzeichnung als Bio-Produkte.
  • Der Großteil aller Landwirte nimmt allerdings die verkürzte Umstellungszeit in Anspruch. Gerade für Milchviehbauern ist diese Variante hilfreich, da hier bereits 6 Monate nach Kontrollvertragsunterzeichnung Milch als biologisch vermarktet werden kann. Bei Fleisch bzw. Lebendtieren ist hingegen Vorsicht geboten! Hier wird je Tier eine individuelle Umstellungszeit berechnet.

Individuelle Umstellungszeit

Im Gegensatz zu anderen Tierarten, gilt bei Rindern die individuelle Umstellungszeit.

Rinder müssen ¾ ihres Lebens, mindestens jedoch 12 Monate biologisch gehalten werden, bevor Sie biologisch vermarktet werden dürfen. Eine konventionelle Vermarktung ist hingegen jederzeit möglich.


Beispiel: Bauer Huber stellt auf Bio um und unterschreibt mit 01.01.2019 den Kontrollvertrag. Er nimmt die verkürzte Umstellungszeit in Anspruch. Am 01.01.2019 hat er folgenden Tierbestand:

Nummer TierOhrmarkeNameGeburtsdatumBIO ab
1KalbAT 313 964 125Enzian24. Dezember 201801. Jänner 2020
2KalbinAT 318 841 247Butter31. Jänner 201802. Oktober 2021
3MilchkuhAT 311 354 601Susi15. Mai 201623. November 2026
4MilchkuhAT 312 987 529Lotte03. April 201430. März 2033
5MilchkuhAT 318 954 787Resi05. Juni 201022. September 2044

Nummer 1:
Das Kalb Enzian ist eine Woche vor Kontrollvertragsunterzeichnung geboren. Umstellungszeit: ¾ der Lebenszeit wäre schnell erreicht, aber hier greift der zweite Teil der Regelung: mind. 12 Monate biologische Haltung. Enzian erlangt also theoretisch mit 1. Jänner 2020 den Bio-Status.

Nummer 2:
Kalbin Butter wurde am 31. Jänner 2018 geboren und wurde 11 Monate konventionell gehalten. Mit Umstellungsbeginn am 01. Jänner 2019 wird sie biologisch gehalten. Hier greift die ¾ Regelung: 11 Monate konventionell – benötigt 33 Monate biologische Haltung. Butter erhält also theoretisch mit 2. Oktober 2021 den Bio-Status.

Nummer 3:
Kuh Susi ist zu Umstellungsbeginn am 01.Jänner 2019 ca. 2,5 Jahre alt, sie benötigt laut der ¾ Regelung also noch 7,5 Jahre biologische Haltung um auch den Bio Status zu erlangen. Susi erlangt also theoretisch mit 23. November 2026 den Bio-Status.

Nummer 4 und 5:
Die Kühe Lotte und Resi sind bei Umstellungsbeginn am 01.Jänner 2019 schon ältere Kühe. Laut ¾ Regelung erhalten sie theoretisch mit 30. März 2033 bzw. 22. September 2044 den Bio Status. In der Praxis werden diese Kühe aufgrund ihres Alters wohl niemals den Bio Status erhalten.

Aber Achtung: Genau hier wird´s gefährlich…! Angenommen Kuh Lotte ist bis ins hohe Alter fruchtbar und gesund. Sie wird 16 Jahre alt und dann im Dezember 2030 als Schlachtkuh verkauft. Bauer Huber ist bereits seit über 10 Jahren Bio-Bauer, denkt sich nichts dabei und gibt die Kuh selbstverständlich als Bio ab. Dabei ist die Umstellungszeit noch lange nicht vorbei und die Kuh immer noch konventionell. Schon ist die Falschdeklaration geschehen…

Praktisch gilt für alle umgestellten Produkte (Tier, Fleisch, Milch):
Keine Bio-Auslobung ohne gültiges Bio-Zertifikat!!!
Selbst wenn die theoretische Umstellungszeit – siehe Beispiele oben – vorbei ist, ist eine Bioauslobung nur möglich, wenn dies auch auf dem Biozertifikat vermerkt ist. Das Zertifikat stellt die Kontrollstelle aus. Dies geschieht im Rahmen der jährlichen Bio-Kontrolle am Betrieb oder der Bauer fordert aktiv die Kontrollstelle dazu auf. Das jeweils aktuelle Biozertifikat findet man im Internet, etwa auf der Website www.bioc.info


Tierzukauf

Die Umstellungszeiten kommen auch dann zum Tragen, wenn Bio-Bauern im Rahmen der Ausnahmeregelungen konventionelle Tiere zukaufen. Werden konventionelle Rinder zugekauft ist wiederum die individuelle Umstellungszeit einzuhalten! Also wieder ¾ der Lebenszeit aber mindestens 12 Monate muss ein Tier biologisch gehalten werden bis es den Bio Status erlangt.

Welche Tiere dürfen konventionell zugekauft werden?

siehe auch Beratungsblatt Tierzukauf

  • Zuchtkälber können konventioneller Herkunft sein und dürfen bis zu einem Alter von maximal sechs Monaten zugekauft werden.
  • Konventionelle weibliche Zuchttiere, die noch nicht gekalbt haben, dürfen zur Bestandeserneuerung jährlich im Umfang von 10 % des Bestandes an Rindern, die älter als zwölf Monate sind, zugekauft werden. Bei Beständen mit weniger als zehn Rindern kann ein Tier pro Jahr zugekauft werden.
  • Dieser Prozentsatz kann bei einer erheblichen Vergrößerung des Bestandes, bei einer Rassenumstellung oder beim Aufbau eines neuen Betriebszweiges, nach Genehmigung durch die zuständige Landesbehörde auf bis zu 40 % angehoben werden. Weiters kann diese Ausnahme bei gefährdeten Nutztierrassen (mittels Zuchtbuchauszug oder durch den Zuchtverband zu bestätigen) in Anspruch genommen werden, wobei in diesem Fall auch ein Zukauf konventioneller Kühe möglich ist.
  • Zuchtstiere dürfen ohne Einschränkung konventioneller Herkunft sein.

Bei Totgeburt oder Verendung von Kälbern (bis zum Alter von sechs Monaten) in Mutterkuhbetrieben ist das ersatzweise Nachbesetzen von konventionellen Kälbern zulässig, wenn eine Entsorgungsbestätigung des Tierkörpers von der Tierkörperverwertung vorliegt. Die für die Zucht verwendeten Tiere erlangen nach der erforderlichen Umstellungszeit den Bio-Status. Die für die Mast verwendeten Tiere erlangen keinesfalls einen Bio-Status und müssen konventionell vermarktet werden.

Tierbehandlung

Der Biostatus ist auch Thema bei der Behandlung erkrankter Tiere. Werden vom Tierarzt Arzneimittel verabreicht, so ist im Regelfall eine Wartezeit einzuhalten. Dabei wird in die gesetzliche Wartezeit und die doppelte Wartezeit für Bio-Betriebe unterschieden. Während der gesetzlichen Wartezeit dürfen Tiere grundsätzlich nicht zur Gewinnung von Lebensmitteln herangezogen werden. Während der verlängerten Wartezeit ist eine Vermarktung möglich, allerdings gelten die erzeugten Produkte als konventionell und müssen auch so (Viehverkehrsscheine!!) ausgewiesen werden! Für die Einhaltung der doppelten Wartezeit ist der Landwirt verantwortlich (nicht der Tierarzt).
Beispiel:
Stierkalb „Rudi“ ist am 22.11.2018 am Bio-Betrieb Steiner geboren. Rudi erkrankt an einer Lungenentzündung und wird am 28.12.2018 vom Tierarzt behandelt. Der Tierarzt schreibt am Behandlungsschein als Wartezeit für Fleisch den 18.01.2019. Landwirt Steiner verkauft das Stierkalb am 21.01.2019 an die EZG und vermerkt am Viehverkehrsschein das Kalb als „BIO“.
Stierkalb „Rudi“ hat zwar die gesetzliche Wartezeit durchlaufen und darf vermarktet werden, allerdings hat es nicht die doppelte Wartezeit durchlaufen. Diese läuft erst am 08.02.2019 ab, erst ab diesem Datum dürfte Landwirt Steiner das Stierkalb als „BIO“ verkaufen.

Was sind die Konsequenzen?

Im Mai hat Landwirt Steiner Bio Kontrolle, dabei wird die Falschauslobung bemerkt. Steiner muss seinen Abnehmer, die EZG über die Falschauslobung informieren. Die Kontrollstelle meldet die Falschauslobung an die Behörde, diese verhängt eine Geldstrafe. Außerdem hat Steiner eine nochmalige, kostenpflichtige Nachkontrolle der Kontrollstelle.
Dieser Fall ist einer von vielen, die leider immer wieder vorkommen!
Genauere Informationen zur Tierbehandlung findet man in der Broschüre Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb.

Sonderfälle

Schon die Grundlagen sind komplex, noch schwieriger wird es in speziellen Situationen.

Folgende Beispiele sind vollständig von realen Fällen inspiriert:

Fall 1

Landwirt Huber hat die verkürzte Umstellungszeit in Anspruch genommen. Eine Kuh kalbt fünf Monate nach Abschluss des Kontrollvertrages. Welchen Status hat das Kalb?
Es ist konventionell. Werden während der verkürzten Umstellungszeit Kälber geboren, so haben diese noch nicht den Bio Status. Erst die Kälber die nach Ablauf der verkürzten Umstellungszeit für die Milch geboren werden, haben automatisch den Bio Status. Im oben beschriebenen Fall, muss das Kalb die Individuelle Umstellungszeit durchlaufen.

Fall 2

Bio-Bäuerin Huber kauft im Rahmen der 10% Regel eine hochtragende konventionelle Kalbin. Zwei Monate nach Zukauf kalbt das Tier. Darf die Bäuerin die Milch biologisch vermarkten?
Nein, da die Umstellungszeit noch nicht durchlaufen ist. Diese beträgt für die Milch sechs Monate ab Zukaufsdatum. Als anerkannter Bio-Betrieb darf sie aber die Milch zur Verfütterung am eigenen Betrieb einsetzen. Das Kalb hingegen ist im Gegensatz zum vorherigen Fall schon von Geburt an Bio.

Fall 3

Bio-Bauer Huber verleiht seinen am Betrieb geborenen Bio-Stier vier Tage zu Zuchtzwecken an seinen konventionellen Nachbarn. Einige Wochen darauf, möchte der Bio-Bauer ihn schlachten. Welchen Status hat der Stier?
Der Stier hat durch die drei Tage am konventionellen Betrieb seinen Bio-Status verloren. Der Bio-Bauer darf in zwar ohne Probleme zurücknehmen (siehe Ausnahmen konv. Zukauf), aber nicht als biologisch vermarkten. Der Stier müsste erst wieder die individuelle Umstellungszeit durchlaufen.

Fall 4

Bio-Bauer Huber hat im Sommer 10 Kalbinnen auf der Alm von Landwirt Steger (konventionell) aufgetrieben. Aufgrund von Schlechtwetter müssen die Rinder frühzeitig von der Alm abgetrieben werden. Bio-Bauer Huber ist gerade mit Stallbau beschäftigt und hat daher keinen Platz für seine Tiere. Landwirt Wallner hilft aus und nimmt die Kalbinnen zwei Wochen auf seinem Betrieb im Tal in Pflege. Kann Bio-Bauer Huber seine Kalbinnen nun wieder zurücknehmen?
Nur teilweise. Das Futter am Betrieb Wallner hat konventionellen Status. Die Bio-Kalbinnen wurden also zwei Wochen mit konventionellem Futter gefüttert und haben dadurch ihren Bio-Status verloren. Zwar kann Bio-Bauer Huber aufgrund der 10% Regelung (siehe Ausnahmen konv. Tierzukauf) einige Kalbinnen zurücknehmen, für alle zehn Stück müsste er aber einen Viehbestand von rund 100 erwachsenen Tieren haben…

Fall 5

Bio-Bauer Huber verkauft drei Zuchtkalbinnen, die in die Türkei exportiert werden sollen. Zwei Wochen lang stehen die Kalbinnen in einem Wartestall in Wels und werden konventionell gefüttert. Eines der Tiere wird aus Gewährleistungsgründen wieder zum Landwirt zurückgeschickt. Welchen Status hat das Tier? Darf er es überhaupt zurücknehmen?
Das Tier ist konventionell, aber der Bauer darf das Tier auf jeden Fall zurücknehmen => Aus Gewährleistungsgründen ist dies möglich. Die Kalbin muss aber wieder die Umstellungszeit durchlaufen, bevor Produkte als Bio deklariert werden dürfen.

Praxistipps

  • Im Zweifelsfall immer bei den Bio-BeraterInnen nachfragen.
  • Jedes konventionell angekaufte Tier im Bestandsverzeichnis farbig mit einem Textmarker kennzeichnen, damit es unmöglich übersehen und falsch ausgelobt werden kann.
  • Beim Verkauf eines konventionellen Tieres am Lieferschein unter dem Namen nicht Bio ankreuzen und in der rechten Spalte (Nähere Angaben) nichts hineinschreiben.
  • Getrennte Lieferscheine bei Tieren, welche sich in einer Ausnahmeregelung befinden, ausfüllen, damit es keinesfalls zu irrtümlichen Bio-Statusangaben kommt.
  • Bei Betrieben mit vielen Meldungen und Lieferscheinen, wie z. B. bei Milchbetrieben mit ausgelagerter Kalbinnenaufzucht, ist besondere Aufmerksamkeit geboten.
  • Verdoppelung der Wartefristen beim Einsatz von Medikamenten nicht vergessen. Tierärzte gezielt darauf ansprechen.
  • Besondere Sorgfalt gilt bei den Fristen von Trockenstellern.
  • Online findet man den Bio- Status Rechner, welcher zur Berechnung von Umstellungszeiten verwendet werden kann.
  • Außerdem gibt es von der ABG eine App für´s Smartphone, welche Umstellungszeiten und Wartezeiten bei Medikamenteneinsatz berechnen kann.
  • Genauere Informationen zur Tierbehandlung findet man in der Broschüre Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb
  • Das eigene Biozertifikat, genauso wie die Zertifikate aller Bio-Bauern findet man im Internet, etwa auf der Seite bioc.info

Verfasser:

Franz Promegger, Bio-Berater, BIO AUSTRIA Salzburg