Den passenden Stier wählen

© Hohenzell/OÖ

Die Zucht am eigenen Betrieb selbst in die Hand nehmen – diese Herangehensweise rückt immer mehr in den Fokus vieler Bio-Milchviehhalter. Der Ökologische Zuchtwert bietet eine Hilfestellung. Die Voraussetzungen am Bio-Betrieb sind teilweise andere als in der konventionellen Milcherzeugung und erfordern damit auch eine darauf abgestimmte Herangehensweise bei der Zucht. 

Die ideale Bio-Milchkuh

Eine wirtschaftlich erfolgreiche Bio-Milchviehhaltung erfordert Kühe mit langer Nutzungsdauer und guter Grundfutter-Lebensleistung, auch Weidetauglichkeit spielt eine wichtige Rolle. Geschickte Bio-Milchviehzüchter suchen nicht nur den Stier gezielt aus, sie wählen auch auf der Seite der Kühe sehr streng aus. Gute Kühe liegen ohne Sonderbehandlung ab der dritten Laktation in der Fett- und Eiweißmenge über dem Durchschnitt und zeichnen sich durch beste Fitness aus. Anstelle von Extremleistungen zeigen sie eine ausgewogene Körper- und Leistungsentwicklung, eine hohe Stoffwechselstabilität, gute Fruchtbarkeit und flache Laktationskurven (Persistenz) sowie gesunde Euter und Fundamente.

Jeder Milchviehhalter sollte zumindest einmal jährlich drei bis fünf Zuchtstiere auswählen, mit denen der Großteil der Herde gezielt für die Nachzucht belegt wird. Die ausgewählten Stiere sollen die Schwächen der Kühe gezielt ausgleichen. Achtung: Nicht alle ausgewählten Stiere werden auch von der regionalen Besamungsstation direkt vertrieben, sie können dort aber auf jeden Fall bestellt werden!

Ökonomischer Zuchtwert

Der Ökonomische Gesamtzuchtwert (GZW) ist auf die Maximierung des wirtschaftlichen Gesamtnutzens ausgerichtet. Mit der Berechnung eines Ökonomischen Gesamtzuchtwertes werden alle wirtschaftlich wichtigen Merkmale in einer Zahl kombiniert, nach welcher die Tiere gereiht werden. Dieser Wert bildet die speziellen Rahmenbedingungen der Bio-Landwirtschaft aber nicht gesondert ab.

Ökologischer Zuchtwert

Der ökologische Zuchtwert (ÖZW) wird, wie der ökonomische Gesamtzuchtwert (GZW), auch auf Basis der vorhandenen Einzelzuchtwerte berechnet. Dabei werden jedoch die Merkmale entsprechend den Bio-Anforderungen anders gewichtet. 

Dem Fitnessbereich wird bei der Gewichtung der Einzelzuchtwerte besonders hohes Augenmerk geschenkt. Es wird noch mehr Wert auf eine ausgewogene Körper- und Leistungsentwicklung, hohe Stoffwechselstabilität, gute Fruchtbarkeitsergebnisse, flache Laktationskurven und gesunde Euter und Klauen gelegt. 

Der ÖZW wird für die Rassen Fleckvieh und Brown Swiss und in Bayern auch für Gelbvieh berechnet. Auf die Bio-Empfehlungslisten schaffen es nur Stiere, welche zusätzlich wichtige Mindestkriterien im Fitnessbereich erfüllen. Der ÖZW wurde ursprünglich in Bayern entwickelt und wird dort bereits seit mehr als 20 Jahren veröffentlicht. Dreimal jährlich erfolgt in Bayern die Berechnung der aktuellen ÖZW-Zuchtwerte für alle verfügbaren Fleckvieh-, Brown Swiss und Gelbviehstiere aus Deutschland und Österreich. Seit zehn Jahren arbeiten das Bio-Institut der HBLFA Raumberg-Gumpenstein sowie BIO AUSTRIA im ÖZW-Arbeitskreis aktiv mit. Seit Dezember 2017 ist der ÖZW als Zuchtinfo auch in Österreich anerkannt und wird auch von der ZuchtData veröffentlicht.

Eine gute Unterstützung

„Der Ökologische Gesamtzuchtwert wurde als Hilfestellung für Bio-Milchviehhalter entwickelt. Damit soll ihnen die Auswahl geeigneter Besamungsstiere erleichtert werden“, betont Andreas Steinwidder vom Bio-Institut der HBLFA Raumberg-Gumpenstein.

Mit den ÖZW-Empfehlungslisten sollen also besonders Betriebe unterstützt werden, die sich selbst noch wenig mit Zucht beschäftigen. Züchterisch unerfahrene Betriebe können so auf Stiere aus dieser Liste zurückgreifen, ohne dass sie Probleme in der Nachzucht befürchten müssen. Erfahrene Züchter werden sicherlich auch andere Stiere, die nicht in den Empfehlungslisten sind, gezielt einsetzen. Eine solche Anpaarung setzt aber viel Wissen und Kenntnisse zur Zucht voraus und muss mit viel Bedacht durchgeführt werden. 

Autoren: Dr. Elisabeth Pöckl, BIO AUSTRIA Bundesverband; Priv.-Doz. Dr. Andreas Steinwidder, HBLFA Raumberg-Gumpenstein

Tipps

Züchten für Bio: Hilfestellungen finden und richtig verwenden

Empfehlungslisten für die Stierauswahl nach dem ÖZW für Fleckvieh und Brown Swiss finden Sie auf: www.raumberg-gumpenstein.at/oezw

  • ÖZW Top-Liste: Auf dieser Liste findet man nachkommengeprüfte Stiere mit hoher Sicherheit (klassische ÖZW-Stiere): Diese Tiere haben bereits viele Nachkommen und damit sehr sichere Zuchtwerte. Diese Stiere empfehlen wir daher besonders für den Zuchteinsatz.
  • ÖZW-NK-Liste: Diese enthält nachkommengeprüfte Stiere mit mittlerer Sicherheit: Diese Tiere haben eine eingeschränkte Anzahl an Töchtern und Laktationen, die Zuchtwerte haben daher eine mittlere Sicherheit.
  • ÖZW-GJV-Liste: Dort findet man genomische Jungvererber mit geringer Sicherheit: Bei diesen Stieren sind die Zuchtwerte praktisch ohne Töchterleistungen und unter Berücksichtigung genomischer Informationen vorgeschätzt.

Über den Link www.raumberg-gumpenstein.at/Bio-Zuchtstiere können Sie weitere Stierlisten nach Zuchtwert-Mindestkriterien für die Rassen Grauvieh, Pinzgauer und Holstein Friesian finden. Auch hier werden strenge Kriterien bei den wichtigen Bio-Zuchtwertmerkmalen (Nutzungsdauer, Fitness etc.) angesetzt.