Filet kann jeder

© Kotvojs-Hotz

In den steilen Hängen über dem Bodensee halten Jessica und Lukas Kotvojs-Hotz ungewöhnliche Tiere: Yaks. Die exotischen Rinder üben eine besondere Anziehung auf Konsumenten aus. Wir haben mit Jessica Hotz darüber gesprochen, wie sie diese Attraktivität nutzen, um die Wertschöpfung am Hof mithilfe weiterer Angebote zu steigern.

Yaks in Vorarlberg sind ungewöhnlich. Wie kam es dazu?

Jessica Hotz: Wir haben den Hof mit den Yaks schon von meinen Eltern übernommen. Meine Eltern waren Quereinsteiger in die Landwirtschaft und haben vor 30 Jahren mit der Yak-Haltung begonnen. Luki und ich haben uns in Wien auf der BOKU kennengelernt. Wir sind 2016 zurück nach Vorarlberg gekommen, weil keiner meiner Geschwister den Hof übernehmen wollte.

Wie war euer Start hier über dem Bodensee?

Da gab es einige Herausforderungen. Unser Ziel war es, den Betrieb im Vollerwerb zu führen. Daher haben wir sehr euphorisch angefangen und gleich viele verschiedene Produkte wie Sirupe und Marmeladen hergestellt. Wir haben jedes Stück Obst von unseren Hochstämmen geerntet. Nachdem wir uns nicht gleichzeitig um den Absatz kümmern konnten, hatten wir dann auf einmal zu viele Produkte, die uns niemand abgenommen hat. Wir waren ein bisschen überfordert, weil wir alles auf einmal machen wollten. Daraufhin haben wir wieder zurückgeschraubt und beschlossen, nur noch zu produzieren, was wir auch verkaufen können. Wir haben eine Website erstellt und sind auf Social Media aktiv geworden. So konnten wir die Produktion dann langsam parallel zur Nachfrage steigern.

Yaks kennt man aus dem Himalaya. Was zeichnet diese Rinderrasse aus?

Yaks sind klein und viel leichter als andere Rinder, deshalb sind sie sehr gut geeignet für unsere Hanglagen. Sie sind schnell und leichtfüßig und verursachen deutlich weniger Trittschäden. Wir brauchen keinen geschlossenen Stall, sondern im Winter nur einen Unterstand, wo sie Heu, Wasser und ein Strohbett haben. Sie sind robust und unkompliziert in der Haltung. Euter- und Klauenerkrankungen gibt es bei Yaks praktisch gar nicht. Das Einzige, was herausfordernd ist, sind Parasiten – da sind sie anfälliger als Rinder. Und das Handling ist manchmal etwas schwieriger. Es erfordert viel Zeitaufwand, wirklich zahme Tiere zu haben. Wichtig ist uns eine ruhige Elterntierherde. Unsere Kühe werden ungefähr 20 Jahre alt. Und die Yaks werden erst mit rund drei Jahren geschlachtet. Mit den Yaks haben wir auch einfach ein Alleinstellungsmerkmal, das ist vorteilhaft für die Vermarktung.

Das Fleisch unterscheidet sich auch vom herkömmlichen Rindfleisch.

Ja, es hat einen hohen Myoglobin- und Carotingehalt und ist daher viel dunkler und roter als anderes Rindfleisch und geschmacklich intensiver. Es erinnert ein bisschen an Wild. Außerdem ist es fett- und cholesterinärmer als Rindfleisch, hat aber einen hohen Protein- und Vitamingehalt. Die Zubereitung ist ähnlich wie bei Rindfleisch.

Ihr produziert ja nicht nur Fleisch. Wie ist eure Vermarktung insgesamt aufgebaut?

Das Fleisch ist unser Kernprodukt. Wir schlachten circa viermal im Jahr und verkaufen das gesamte Yakfleisch ab Hof. Es gibt Pakte zu drei oder fünf Kilogramm, man kann aber auch einzelne Fleischstücke nehmen. Hin und wieder verkaufen wir auch an ein Gasthaus, aber für eine regelmäßige Belieferung der Gastronomie haben wir nicht genügend Menge. Die Gesamtverwertung ist uns ein großes Anliegen. Wir verkaufen auch die Knochen und Innereien, die Schädel mit Hörnern und aus dem Fell machen wir Teppiche. Mittlerweile kämmen wir auch im Frühling die Wolle aus, weil wir dafür einen Abnehmer gefunden haben.

Die Schweine halten wir hauptsächlich, damit wir unseren eigenen Speck für die Landjäger und anderen Würste haben.

Tees, Salze, Chutneys und Ähnliches verkaufen wir heute recht erfolgreich über Geschenkpakete, die wir zu Weihnachten für Firmen produzieren.

Woher kommen eure Kunden für diese Spezialitäten?

Unser gesamter Kundenstock wohnt in der näheren Umgebung. Hier haben wir den Vorteil, dass der Bodenseeraum recht dicht besiedelt ist, deshalb ist der Absatz gut. Durch die Nähe zur Schweiz und zu Deutschland haben wir auch dort Kunden. Hartwürste, Speck und andere haltbare Produkte verschicken wir teilweise. Trotzdem gibt es immer wieder „übrige“ Stücke, weil die Leute mit denen nicht so viel anfangen können. Filet, Steaks und Faschiertes sind immer ausverkauft, aber das Hüferschwanzl, das Weiße Scherzel oder die Innereien sind eine Herausforderung.

Wie meistert ihr dann diese Problemstellung?

Wir machen seit dem letzten Jahr Kochevents. Unter dem Motto „Filet kann jede:r“ verkocht mein Schwager, der sich als Haubenkoch in Wien selbstständig gemacht hat, unbekannte Stücke. Er kommt jetzt regelmäßig für Koch- und Grillevents zu uns. Er kocht dann ein Fünf-Gänge-Menü mit den unbekannten Stücken, auch Innereien, und gibt Tipps. Dazu machen wir eine Hofführung und erklären den Gästen, wie sich die Haltung und Fütterung der Tiere auf deren Wohlbefinden und die spätere Fleischqualität auswirken. Das kommt super an und ermöglicht uns eine weitere Einnahmenquelle.

Wo liegen denn aus deiner Sicht die Herausforderungen in der Nischenproduktion?

Bei uns geht es natürlich nur über Direktvermarktung, weil wir aus allen Vermarktungsprogrammen herausfallen. Da Yaks viel kleiner sind und langsam wachsen, brauchen wir entsprechend gute Preise für unsere Produkte. Aber der große Vorteil ist, dass wir den Menschen eine Geschichte erzählen können. Die Tiere sind etwas Besonderes, das zieht die Leute an. Deshalb haben wir viele Besucher und machen auch viele Hofführungen und Verkostungen. Der Aufwand ist zwar groß, der direkte Kontakt mit der Kundschaft macht aber Spaß. Durch die große Vielfalt am Hof gibt es viel zu sehen, was die Führungen für Besucher interessant macht. Um noch mehr Wertschöpfung über unsere Produkte generieren zu können, wollen wir auf jeden Fall die Dienstleistungen rundherum ausweiten, zum Beispiel über Seminare, Urlaubsgäste, Kindergeburtstage.

Wie bewertet ihr die Wirtschaftlichkeit eures Betriebs?

Als Nische funktioniert unser Betrieb sehr gut, weil die Menschen interessiert sind und wir auch Kunden haben, die bereit sind, für unser Produkt entsprechende Preise zu bezahlen. Bei unserer Betriebsgröße halte ich es für sehr wichtig, die landwirtschaftliche Produktion mit gewissen Dienstleistungen zu koppeln, um überlebensfähig zu sein.  Denn leider ist es heute einfach so, dass Leute für Erlebnisse nur allzu gern Geld ausgeben, aber beim Einkauf von Lebensmitteln zweimal überlegen.

Zusätzlich arbeiten wir beide auch noch jeweils ein paar Stunden pro Woche außerhalb des Betriebes, weil es uns Spaß macht und ein weiteres Einkommen bringt.

Könnten Yaks eurer Meinung nach auch für andere Betriebe eine interessante Nische sein?

Gerade wer steile Flächen hat, die sehr extensiv zu bewirtschaften sind, könnte mit Yaks eine gute Alternative haben. Allerdings darf man die Vermarktung nicht außer Acht lassen. Man muss wegen des geringeren Gewichts der Tiere schon gute Preise verlangen, damit es wirtschaftlich bleibt.

Was braucht es deiner Meinung nach, damit neue Ideen überhaupt entstehen können und umgesetzt werden?

Für neue Ideen braucht man hin und wieder ein bisschen „Luft“. Im Stress des Alltags kommen keine. „Weg sein“ von daheim kann dafür sehr wertvoll sein. Wir fahren immer wieder für ein paar Tage nach Niederösterreich, weil Lukis Familie dort lebt. Durch diesen Abstand, auch räumlich, kommt dann meistens die Zeit und Lust, sich neue Gedanken zu machen und sich auszutauschen.

Für neue Ideen muss man sich auch aktiv Zeit nehmen, auch wenn Zeit knapp ist. Wir haben so eine Projekt-Liste in unserem Büro hängen. Darauf schreiben wir alle Visionen, die wir vielleicht irgendwann umsetzen wollen. Außerdem versuchen wir, jedes Jahr ein bisschen zu planen. Da schauen wir dann auf diese Liste und entscheiden, was wir uns für das kommende Jahr vornehmen wollen.

Und wenn mal etwas nicht funktioniert, wie man es sich vorgestellt hat?

Dann muss man diese Dinge einfach wieder sein lassen und sich eingestehen, dass es nicht funktioniert hat. Das geht natürlich einfacher, wenn man nicht vorher schon viel Zeit und Geld investiert hat. Für die Umsetzung ist es außerdem wichtig, dass man einen finanziellen Puffer hat, sodass man sich neue Dinge auch leisten kann und es einen nicht in den Ruin stürzt, wenn es nicht klappt.

Abschließend vielleicht noch ein Tipp?

Ich bin der Meinung, dass man sich hin und wieder eine Pause gönnen muss. Räumlicher Abstand hilft, vieles am eigenen Betrieb nüchterner zu betrachten. Es ist auch inspirierend, sich viele andere Betriebe anzuschauen. Man kann sich gewisse Dinge abschauen und sich austauschen. Das kann sehr impulsgebend sein.

Der Artikel erschien in der BIO AUSTRIA Fachzeitung, Ausgabe August 2024, zum Thema „Innovativer Bio-Landbau“.

www.yakhalden.at/