Gemüsebau: Wenn die Kulturen Wasser brauchen

Gemüsefeld
©BIO AUSTRIA Burgenland/Stopper

Wasser wird in vielen Regionen zunehmend zur knappen Ressource. Über Wasserspeicherung und effiziente Bewässerung im Bio-Gemüsebau haben wir mit Elfriede Stopper, Gemüsebauberaterin bei BIO AUSTRIA Burgenland, sowie Jürgen Kleber, Mitarbeiter des Instituts für Gemüsebau an der Hochschule Geisenheim, gesprochen.

Der Weg zum ressourcenschonenden Umgang mit dem wertvollen Gut Wasser wird immer wichtiger und langfristig jeden Bio-Gemüsebaubetrieb betreffen. Investitionen in Bewässerungssysteme sind jedoch teuer und müssen gut überlegt werden. Welche Überlegungen stehen beim Thema Bewässerung an erster Stelle?

Stopper: Ich bin der Meinung, der erste Schritt muss immer sein, sich so gut wie möglich an die Bedingungen anzupassen. Soll heißen, der Boden selbst ist für den Bauern der natürlichste und günstigste Wasserspeicher. Daher geht es in erster Linie um den Boden und um pflanzenbauliche Maßnahmen. Die Bewässerung ist dann für mich der zweite Schritt. Sind leistungsstarke Brunnen und entsprechende Wasserrechte vorhanden, ist das der betriebliche Idealfall. Ansonsten bleibt nur die Regenwasserspeicherung. Beim Gießwasser lohnt sich auf jeden Fall eine Investition in eine Laboruntersuchung. Neben einer passenden mikrobiologischen Beschaffenheit ist die Nährstoffzusammensetzung des Gießwassers von Bedeutung.

Wie kann man den Wasserbedarf am Betrieb überhaupt abschätzen?

Stopper: Der durchschnittliche Wasserbedarf von Freiland-Gemüsekulturen beträgt 200 bis 600 Liter pro Quadratmeter. Mit zu berechnen sind Mehrfachbelegungen, diese können den Wasserbedarf weiter erhöhen. Der Zusatzbewässerungsbedarf liegt – immer in Abhängigkeit von den natürlichen Niederschlagsmengen – bei circa 150 bis 250 Liter pro Quadratmeter. Im geschützten Anbau liegen die Bewässerungsmengen für eine Tomatenkultur im kalten Folienhaus bei früher Pflanzung mit einer Kulturdauer von April bis Ende Oktober bei circa 700 Liter pro Quadratmeter.

Der Boden ist ein wichtiger Wasserspeicher. Wie lässt sich das Wasserspeichervermögen verbessern?

Kleber: In den letzten Jahren zeigte sich, dass die von Klimaexperten vorhergesagten Verschiebungen der Jahresniederschläge vom Sommer- in das Winterhalbjahr zutrafen. Es wird daher nötig sein, die Winterniederschläge im Frühjahr und Sommer nutzbar zu machen. Als erste Maßnahme muss dafür gesorgt werden, dass Niederschläge vor Ort vom Boden aufgenommen werden können und langsam versickern. Erste Untersuchungen zeigen, dass dies zum Beispiel durch regelmäßige Gaben von organischem Material in Form von Kompost oder Stallmist erreicht werden kann. Damit wird die Aktivität der Regenwürmer und die Anzahl der Regenwurmgänge erhöht. Dies führt zu einer verbesserten Wasseraufnahme der Böden.

Außerdem sollte die Bodenbearbeitungsrichtung quer zum Hang erfolgen. Es ist vorteilhaft, bei größeren Flächen regelmäßige Querfurchen und zusätzlich begrünte Streifen einzuplanen, damit die Niederschläge nicht zu schnell abließen. Als nächste Maßnahme bieten sich Versickerungsmulden an, die abfließendes Regenwasser zurückhalten und vor Ort versickern lassen. Außerdem werden Regenspeicherbecken künftig wichtig sein, um dieses Wasser für die Bewässerung nutzen zu können.

Bei den vorhin erwähnten pflanzenbaulichen Maßnahmen, welche Möglichkeiten gibt es hier?

Stopper: Eine Möglichkeit ist es, verstärkt Kulturen mit geringem Wasserbedarf einzuplanen wie Rettich, Kopfsalat oder Buschbohnen. Eine andere ist, den Anteil an Winter- beziehungsweise Überwinterungsgemüse zu erhöhen. Man kann die wärmer werdenden Winter mit ihrer Winterfeuchte besser nutzen, zum Beispiel mit dem Anbau von Rettich, Radieschen oder Asiasalaten. Auch den Anbau von Mischkulturen halte ich für sinnvoll, denn so kann das Wasser aus unterschiedlichen Bodentiefen genutzt werden. Und wenn Bewässerung erforderlich ist, so lohnt sich der Aufwand gleich für mehrere Kulturen auf einmal. Ein weiterer Ansatz könnte sein, tiefwurzelnde oder trockenheitstolerante Gründüngungsarten wie Luzerne, Lupine, Löwenzahn und Spitzwegerich auch für die Vermarktung zu nutzen. Und natürlich sollte man trockenheitstolerante Sorten am Betrieb sichten und vermehrt anbauen.

Herr Kleber, Sie haben zwölf Gemüsebaubetriebe in einem Projekt begleitet, in dem es um die Verbesserung des Bewässerungsmanagements ging. Was waren die wichtigsten Erkenntnisse, wie sich Wasser und Energie einsparen lassen?

Kleber: Zu Beginn des Projekts hofften wir, durch eine Veränderung der Bewässerungssteuerung und der Bewässerungstechnik in den Betrieben deutliche Wassereinsparungen zu erreichen. Es zeigte sich aber, dass wir das Wasser zwar effizienter einsetzen konnten, aber eine Wassereinsparung in großem Umfang trotzdem nicht zu erreichen war. Als Beispiel ist zu nennen, dass beim Einsatz von Tropfbewässerungen im Vergleich zu Beregnungen lediglich das unproduktiv verdunstende Wasser während des Beregnungsvorgangs und das am Ende der Beregnung an Pflanze und Boden haftende Wasser einzusparen ist. Dabei liegen die Einsparungen aber nur im einstelligen bis niedrig zweistelligen Prozentbereich. Aber auch geringe Einsparungen können in Zukunft natürlich bedeutend sein.

Einsparungen von Energie zeigten ein deutlich größeres Potenzial, um die Bewässerung effizienter zu gestalten. Dies beginnt mit der Auswahl der passenden Pumpe für das Bewässerungssystem. Die Leistungsdaten der Pumpe müssen zur Bewässerungsanlage passen. Oft verbrauchen Pumpen aus verschiedenen Gründen zu viel Energie. Berechnungen zeigen, dass etwa 85 Prozent der Betriebskosten einer Pumpenanlage auf die Energiekosten entfallen. Die restlichen 15 Prozent sind der Abschreibung des Kaufpreises und dem Service zuzuordnen. Durch den Ersatz veralteter Pumpen durch neue, energieeffiziente Geräte lassen sich folglich erhebliche Kosten einsparen.
Bei der Auswahl der Rohrleitungen ist zu beachten, dass der Rohrleitungsinnendurchmesser zum Volumenstrom passen muss, weil sonst die Strömungsgeschwindigkeit und damit der Energieverbrauch der Pumpen zu groß wird. Optimal sind Strömungsgeschwindigkeiten von weniger als 1,5 Meter pro Sekunde.

Auch mit der sogenannten Defizitbewässerung könnte man Wasser sparen. Was hat es damit auf sich?

Stopper: Bei der Defizitbewässerung wird in den Kulturpflanzen gezielt ein Trockenstress hervorgerufen, und zwar in jenen Wachstumsphasen, die sich kaum auf den Ernteertrag auswirken. Gewünscht wird eine geringe Ertragsreduktion bei hoher Wassereinsparung. Endziel ist eine Erhöhung des wirtschaftlichen Erlöses durch eine reduzierte Wasserentnahme aus der Natur. Im besten Fall lassen sich Wassernutzungseffizienz, Pflanzengesundheit und die Qualität der erzeugten Produkte steigern.

Es gibt unterschiedliche Bewässerungssysteme. Wie plant man das geeignete Bewässerungssystem am Betrieb?

Stopper: Die Entwicklung eines ressourcenschonenden Bewässerungsmanagements am eigenen Betrieb fordert neben hohen Investitionskosten auch viel Wissen, Erfahrung, Flexibilität, Vernetzung und jede Menge Ausdauer. Von der ersten Idee bis zur Umsetzung einer betriebsindividuellen Bewässerungsstrategie können auch gut mehrere Jahre liegen. Der Weg führt über die Wasserbedarfserhebung über die zukunftsgerichtete Planung und Zusammenarbeit mit einer Bewässerungsfirma bis hin zu Behördenwegen für das Erlangen aller notwendigen wasserrechtlichen Genehmigungen.

Welche Möglichkeiten der Wassersammlung gibt es?

Stopper: Es gibt ganz unterschiedliche Speichersysteme, von Zisternen – also Betonbehältern mit befahrbarem Deckel – über Stahlhochbehälter, Kunststofftanks bis zum Erdfolienteich. Die Errichtungskosten und Speicherkapazitäten sind dabei sehr unterschiedlich. 

Wie wichtig ist die Bewässerungssteuerung?

Stopper: Die wassersparendste Bewässerungstechnik ist nutzlos, wenn dahinter keine gute Steuerung steht. Als Erfolgsmodell kann hier die Bewässerungs-App, welche von der Arbeitsgemeinschaft Landtechnik und Landwirtschaftliches Bauwesen in Bayern entwickelt wurde, genannt werden. Mit der App lässt sich einfach und praktisch für den eigenen Standort der Wasservorrat im Boden feststellen, der Wasserbedarf der Pflanzen ermitteln und, angepasst an den Bedarf der Kulturen und unter Berücksichtigung der verfügbaren Ressourcen, gezielt bewässern. Für Österreich gibt es die  entsprechende App plus die dazugehörige Messstationeninfrastruktur leider noch nicht.

Welche Bewässerungssysteme sind derzeit hauptsächlich in Verwendung und wie schaut die Zukunft aus?

Stopper: Derzeit gibt es eine fast unüberschaubare Auswahl an Bewässerungstechniken. Langfristig werden sich alle Systeme mit hoher Verteilungsgenauigkeit und geringen Verdunstungsverlusten durchsetzen. Auch Unterflurbewässerungssysteme, die über ein Jahrzehnt im Boden bleiben, werden sich in der Anbaupraxis bestimmt etablieren und vor allem in Dauerkulturen oder speziell abgestimmten Sonderkulturfruchtfolgen zur Anwendung kommen. Der herkömmliche Großregnereinsatz wird sich hingegen reduzieren.

In Zukunft wird in vielen Bereichen nicht ausreichend Wasser zur Verfügung stehen. Wie bewerten Sie die Wasseraufbereitung und den Einsatz von aufbereitetem Wasser auf landwirtschaftlichen Flächen?

Kleber: Als Hauptabnehmer von aufbereitetem Abwasser sehe ich in erster Linie die Industrie, wo es als Kühl- und Prozesswasser eingesetzt werden könnte. Diese Abnehmer haben einen erheblichen Wasserbedarf und liegen in der Regel nahe bei Städten, was den Transport sehr vereinfacht. Wenn aufbereitetes Abwasser zur Bewässerung eingesetzt werden soll, dann vorrangig zum Bewässern von Straßenbegleitgrün und Sportanlagen. Auf Flächen, die der Nahrungsmittelproduktion dienen, sollte dieses Wasser, meiner Ansicht nach, nicht eingesetzt werden. Die Erfahrungen mit Klärschlamm und ähnlichen Materialien zeigen, dass durch verbesserte Analysemöglichkeiten und Neubewertungen von Chemikalien Probleme im Nachhinein auftreten können. Dies kann von der Abnahmeverweigerung der Lebensmittel durch den Handel bis zur Sperrung von belasteten Flächen für die Lebensmittelproduktion führen.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie in der BIO AUSTRIA Fachzeitung, Ausgabe Juni 2024.