Kooperationen: Gemeinsam in die Zukunft

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Bäuerinnen und Bauern zeigen tagtäglich und oft ohne großes Aufsehen oder vertragliche Regelungen, dass gemeinsames Handeln ein Schlüssel zum Erfolg ist. Kooperationen bringen für den Betrieb jedenfalls Chancen, aber auch Herausforderungen mit sich.

Auch ohne offizielle Titulierungen leben Bäuerinnen und Bauern Gemeinschaft und wirtschaften miteinander. Möglicherweise weit unter ihren Möglichkeiten, denn: Werden Kooperationen als strategischer Schritt in der Betriebsführung angesehen, so stellen sie die Möglichkeit dar, noch ressourcenschonender zu wirtschaften, den eigenen Betrieb in seiner Einzigartigkeit zu erhalten und ihn zukunftsfähig auszugestalten.

Kooperationen können so vielfältig, bunt und lebendig ausgestaltet werden, wie es die Bio-Branche selbst ist. Verstanden als eine „freiwillige, zielgerichtete Zusammenarbeit zwischen meist wenigen, rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Betrieben“ verfolgen sie dennoch das gleiche Ziel: auf klar definierten Bereichen arbeitsteilig erfolgreich zu wirtschaften. Doch wie kann dies gelingen?

Eigene Position stärken

Erzeugergemeinschaften, in der Literatur auch als „horizontale Kooperationen“ bekannt, können eine Antwort auf den anhaltenden Strukturwandel und die Frage nach der aktuell angemessenen Größe des eigenen Betriebes sein.

Durch den gezielten Zusammenschluss mit anderen Betrieben auf derselben Wertschöpfungsstufe, werden klassischerweise kapitalintensive Ressourcen wie Maschinen, Fuhrpark und Produktionsanlagen gemeinsam erworben und genutzt.

Treten Landwirte nicht gegeneinander, sondern miteinander in den Wettbewerb, so können jedoch auch darüber hinaus gehende, weit bedeutsamere Ziele erreicht werden: die Position gegenüber Lieferanten, Verarbeitungs- und Handelsunternehmen stärken, geforderte Mindestmengen gemeinschaftlich realisieren und so den Zugang zu großen Handelspartnern möglich machen.


Die horizontale Kooperationsgemeinschaft „die jungen WILDEN GemüseBäuerinnen/Bauern“ aus der Steiermark zeigt, wie gemeinschaftliche Vertriebs- und Marketingaktivitäten genutzt werden können, um einen eigenen Onlineshop zu betreiben und durch Social Media-Auftritte sowie gezielte Pressearbeit Aufmerksamkeit und Aufträge weit über die Heimatregion hinweg erlangt werden können.

Gemeinsames Wirtschaften auf der gleichen Wertschöpfungskette verringert dabei nicht nur das individuelle unternehmerische Risiko, es verschafft gleichzeitig auch persönliche, neue Freiheiten: die Urlaubs- und Familienplanungen sowie berufliche Fort- und Weiterbildungen können nun wesentlich kräfteschonender mit dem landwirtschaftlichen Betrieb vereinbart werden.

Gemeinsam handeln

Weit weniger verbreitet, aber ebenso beachtenswert, ist die vertikale Form der Kooperation, also die gezielte Zusammenarbeit über die verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette hinweg.

In der Initiative „GlaMUR – Genuss am Fluss“ beispielsweise wirtschaften Produzenten und Gastronomiebetriebe gemeinsam; über die Onlineplattform „Körix“ finden Bäuerinnen und Bauern aus Vorarlberg und neue Kunden zusammen. Der strategische Zusammenschluss mit vor- und nachgelagerten Unternehmungen eröffnet also völlig neue Marktzugänge, gewährleistet die Versorgung mit qualitativ hochwertigen Rohstoffen auf allen Stufen der Wertschöpfungskette und gesicherte Absatzwege. Insbesondere die Bio-Branche bietet hier großes Potenzial.

Solidarische Landwirtschaft

Die Bio-Branche ist die Wiege einer weiteren, sehr außergewöhnlichen Form der horizontalen Kooperation: der solidarischen Landwirtschaft (Community Supported Agriculture– CSA). Sie erlebt einen enormen Aufschwung und kann als Gegenbewegung zu Preisdruck, Marktmacht des Handels und Ernährungsunsicherheit gedeutet werden. In der solidarischen Landwirtschaft bilden entweder einzelne Betriebe, gesamte Erzeugergemeinschaften oder auch vertikale Kooperationen gemeinsam mit Konsumentinnen Wirtschaftsgemeinschaften. Sämtliche Produktionskosten werden pauschal und meist auf jährlicher Basis durch die kooperierenden Konsumenten vorfinanziert. Es werden so nicht nur die anfälligen Kosten, sondern auch die Produktionsrisiken geteilt. Die Kundinnen und Kunden schlüpfen also in die Rolle der Direktabnehmer und erhalten im Gegenzug die Erträge und Mitspracherecht in der Entscheidung, welche Erzeugnisse angebaut und produziert werden.

Wesentliche Herausforderungen

Allein diese kurze Einführung zeigt bereits: Kooperationen können so vielfältig, bunt und lebendig ausgestaltet werden, wie es die Bio-Branche selbst ist. Sie eröffnen allen Beteiligten wirtschaftliche, soziale, aber auch persönliche Chancen.

Der Blick in die Praxis jedoch zeigt: vielerorts überwiegt die Skepsis. Landwirte sind aktuell nur begrenzt geneigt, auch vertraglich fixiert gemeinschaftlich zu wirtschaften. Meist beschränkt sich diese Zusammenarbeit auf die gemeinschaftliche Nutzung kapitalintensiver Maschinen. Darüber hinausragende Kooperationen entstehen immer erst dann, wenn die Vorbehalte gegenüber einer engeren Zusammenarbeit überwunden werden. Landwirtschaftliche Betriebe sind meist über Generationen gewachsen, eng mit der eigenen Biografie verbunden und erst durch Herzblut und ein überproportionales Maß an persönlichem Engagement entstanden. Selbstverständlich stehen hier die Angst vor dem Verlust der eigenen Unabhängigkeit, Sicherheitsbedenken in unseren krisenbehafteten Zeiten sowie die Befürchtung, dass die Integration anderer Unternehmenskulturen die eigene in Frage stellt, im Vordergrund.

Eine klar definierte Organisationsstruktur im Kooperationsverbund kann dieser Skepsis begegnen und als wesentlicher Schlüssel für eine langfristige stabile Zusammenarbeit identifiziert werden. Sie trägt zu einem ganzheitlichen Denken aller Beteiligten bei. Jede und jeder interpretiert die eigene Rolle im größeren Kontext. Eine eindeutige Aufgabenzuschreibung sowie regelmäßige Austauschtreffen bilden die Grundlage, während ein von allen Beteiligten anerkanntes Management-Team eine positive Gruppendynamik erzeugt und es ermöglicht, mit individuellem Verhalten, eventuell konkurrierenden Zielen der Kooperationspartner und auch Rückschlägen umzugehen. Eine von den Beteiligten gewählte Führungsriege dient dabei zweierlei: zunächst richtet sie den Fokus immer wieder auf die gemeinsamen (langfristigen) Ziele und kann eine eingreifende Instanz bei Missverständnissen und Unstimmigkeiten darstellen. Andererseits ist sie eine Instanz der Erfolgsmessung: wird der gemeinsam festgelegte Fahrplan von allen eingehalten? Sind die Aufgaben fair untereinander aufgeteilt? Trägt jeder seinen vereinbarten Beitrag zum Gelingen bei?

Wird eine Kooperation nicht als Aufgabe von Geschäftsfeldern, sondern als ein Instrument zur betrieblichen Weiterentwicklung betrachtet, so eröffnen sich neue Zugangswege. Wohin entwickelt sich der Markt? Welches Wissen, welche Ressourcen fehlen mir und können durch andere integriert werden? Werden heute beispielsweise bereits Maschinen geteilt, so liegt die Gründung einer Einkaufsgenossenschaft, über die sämtliche Bestellungen – vom Büromaterial angefangen über Ersatzteile – abgewickelt werden, nahe. Bestehen in einer Region mehrere Hof- und Selbstbedienungsläden, so kann sich aus der Fusion zu einem einzigen, zentralen Bauernladen ein touristischer Anziehungspunkt entwickeln. Wer hingegen regional die Zusammenarbeit scheut, kann über die diversen Onlineplattformen neue Marktchancen finden. Für klein- und mittelständische Verarbeitungsbetriebe bieten auch Bio-Dach- und auch Bio-Handelsmarken Möglichkeiten für eine vertikale Kooperation.

Offen diskutieren

Wer bereits im Vorfeld die Chancen, aber auch die Nachteile und die Risiken betrachtet, kann die individuell geeignete Form finden. Schließlich sind Kooperationen wirtschaftliche Systeme, die produktiv sein müssen. Gleichzeitig sind sie aber auch soziale Systeme, die durch Menschen und deren Beziehungen zueinander geprägt werden. Ob große, kleine, vertikale oder horizontale Kooperationsformen: es geht darum, in florierenden wie in Krisenzeiten, im operativen Tages- aber auch im langfristigen strategischen Geschäft gemeinschaftlich effizient und gewinnbringend zu wirtschaften. Wie handeln wir? Unternehmen wir die richtigen Schritte? Gehen wir sie im richtigen Tempo? Und ist dies auch zukünftig die richtige Richtung?
Das sind die zentralen Fragen eines jeden landwirtschaftlichen Betriebes. In Kooperationen lassen sie sich leichter, aber auch komplexer beantworten.

Mutig sein

Weder bedarf es der Gründung eines innovativen Verbundes, noch einer bahnbrechenden Geschäftsidee – vielerorts ist der Grundstein längst gelegt. Seien Sie mutig und offen. Reflektieren Sie Ihren Betrieb selbstkritisch. Lassen Sie Ihren Gedanken freien Lauf und diskutieren Sie miteinander über Optionen. Die Potenziale sind durch die Vielfalt der Bio-Branche vorhanden und können durch Kooperationen in Ihrem Sinne genutzt werden. Die eigene Selbstständigkeit durch die gezielte Abgabe dieser abzusichern – das ist das Kernelement jeder Kooperation.

Autoren: Ao. Univ. Prof. Dr. Siegfried Pöchtrager und M.Sc. Johanna Huber, Institut für Marketing und Innovation, Universität für Bodenkultur Wien