Nationalratswahl 2024: Die Positionen der Parteien zur Bio-Landwirtschaft im Detail

Parlament Außenansicht
© Parlamentsdirektion / Anna Rauchenberger

Vor der Nationalrats-Wahl 2024 hat BIO AUSTRIA die fünf derzeit im Nationalrat vertretenen Parteien zu ausgewählten Themen der Bio-Landwirtschaft befragt. Hier finden Sie die detaillierte Aufbereitung der durch die Parteien rückgemeldeten Antworten. Eine von BIO AUSTRIA durchgeführte Analyse der Antworten sowie unsere Forderungen an die zukünftige Regierung nach der Wahl finden Sie hier:

Parteiencheck Bio

1. Zukunftsstrategie Bio-Landwirtschaft der Bundesregierung

Mit zunehmenden Krisen und Unsicherheiten steigen auch die Anforderungen an die Landwirtschaft: Kreislaufwirtschaft auf den Höfen, um die Abhängigkeiten von Rohstoff- und Energieimporten zu verringern, klimaneutrale Bewirtschaftung als Antwort auf den immer zerstörerischer auftretenden Klimawandel und die Ernährungssicherheit mit gesunden und hochwertigen Lebensmitteln gewährleisten.

Auf 27 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Österreichs leisten die Bio-Bäuerinnen und Bio-Bauern durch ihre naturnahe Bewirtschaftung genau das. Im aktuellen Aktionsprogramm des Bundesministeriums für Landwirtschaft ist der Ausbau des Bio-Anteils auf 35 Prozent bis 2030 als Ziel festgelegt. Um die Bio-Landwirtschaft in Österreich langfristig zu stärken und ihren Beitrag zur österreichischen Ernährungssicherheit weiter auszubauen sind vielfältige Maßnahmen von der Forschung, über Bildung bis hin zu Lebensmittel- und Konsumentenschutz notwendig. Eine ressortübergreifende Zukunftsstrategie bietet die Möglichkeit ein umfassendes Maßnahmenpaket zu schnüren und alle Kräfte zu bündeln.

Frage: Sind Sie für die Einführung einer ressortübergreifenden Zukunftsstrategie der Bundesregierung zur Stärkung der Bio-Landwirtschaft in Österreich?

Die befragten Parteien sprechen sich allesamt für eine ressortübergreifende Bio-Zukunftsstrategie aus. Eine Steigerung der biologischen Produktion ohne entsprechende Absatzmärkte führe aber Preisverfall, so die ÖVP, und mahnt davor konventionelle und biologische Landwirtschaft gegeneinander auszuspielen. Für die SPÖ ist die Umschichtung der Agrarfördermittel hin zu einer naturnahen und extensiven Bewirtschaftung unerlässlich um die biologische Landwirtschaft zu unterstützen. Die GRÜNEN sehen in einer ressortübergreifenden Strategie die Chance, die Bio-Landwirtschaft entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu stärken. Für die NEOS bedeutet eine gezielte Förderung von Bildung und Forschung eine langfristige Steigerung der Effizienz und Produktivität. Auch die FPÖ ortet Bedarf an einer ressortübergreifenden Zukunftsstrategie und möchte, dass die Politik hier mit gutem Beispiel vorangeht und beklagt den geringen Bio-Anteil in der Beschaffung des Verteidigungsministeriums.

2. Anreize durch Abgeltung öffentlicher Leistungen in der GAP

Die Landwirtschaft soll über die Produktion hochwertiger Lebensmittel hinaus vieles leisten: die Qualität von Wasser, Luft und Boden soll geschützt, die Biodiversität bewahrt und für das Tierwohl gesorgt werden. All diese Leistungen zu erbringen kostet Zeit und Geld. Dies kann aber von den herrschenden Produktpreisen nur teilweise gedeckt werden. Daher ist es die Aufgabe der Politik, diese Leistungen für das Wohl der Gesellschaft auch aus öffentlichen Mitteln entsprechend zu honorieren. Nur wenn der nachhaltige Weg auch der einfachere und ökonomisch attraktivere Weg ist wird das volle Potential der Bio-Landwirtschaft für Österreich ausgeschöpft werden können.

Frage:  Werden Sie dafür eintreten, dass die zukünftige Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU und deren Umsetzung in Österreich für jene Bäuerinnen und Bauern einen deutlichen wirtschaftlichen Anreiz und Vereinfachungen bietet, die ihre Betriebe biologisch bewirtschaften?

Gemeinsam ist allen fünf Parteien, sich für eine stärkere Honorierung der bäuerlichen Leistungen in der GAP einsetzen zu wollen. Laut ÖVP soll etwa ein Zuschlag für Kreislaufwirtschaft bei Bio-Betrieben sowie eine Erhöhung der Bio-Prämie für Ackerflächen Anwendung finden. Zudem möchte die ÖVP Kontrollbelastungen senken und für mehr Flexibilität bei der Erfüllung der Auflagen sorgen. Die SPÖ kritisiert die zuletzt ”ohne Folgenabschätzung” vorgenommenen Änderungen an der GAP. Dabei wurden unter dem Schlagwort Entlastung notwendige Vorgaben für die Biodiversität zurückgenommen. Von den Fördermitteln der GAP sollten jedoch ökologisch wirtschaftende Betriebe sowie die Umwelt profitieren. Öffentliche Gelder sollen daher zum Schutz von Wasser, Boden und Artenvielfalt eingesetzt werden. Die FPÖ spricht sich für einen Abbau des mit der GAP verbundenen bürokratischen Aufwandes aus und schlägt einen “Landschaftsschützer-Bonus” vor. Dieser soll die von den Bäuerinnen und Bauern erbrachte Landschaftspflege und die damit einhergehende Absicherung der Lebensqualität und der touristischen Attraktivität Österreichs honorieren. Sowohl die GRÜNEN als auch die NEOS sprechen sich für eine umfassende Reform der GAP und eine Abkehr von den flächenbezogenen Direktzahlungen aus. Die GRÜNEN möchten eine “Bio-Basis-Prämie” für alle Bio-Betriebe einführen um so den ökologischen Mehrwert und den höheren Arbeitsaufwand zu honorieren. Die NEOS fordern eine engere Verknüpfung von Fördermitteln und Umweltvorgaben, den Abbau von Bürokratie und einen verstärkten Fokus auf regionale Vermarktung.

3. Steigerung des Bio-Absatzes in der öffentlichen Beschaffung

Damit sich die Bio-Landwirtschaft in Österreich langfristig positiv entwickeln kann, müssen die Absatzzahlen steigen und die Erzeugerpreise angemessen gestaltet werden. Die öffentliche Hand spielt hierbei eine entscheidende Rolle, denn der vermehrte Einkauf von Bio-Lebensmitteln kann den Markt ankurbeln. Der Bio-Anteil in der Bundesbeschaffung soll laut dem aktuell gültigen Aktionsplan „naBe“ ab dem Jahr 2023 25 Prozent, ab 2025 30 Prozent und ab dem Jahr 2030 55 Prozent betragen. Jedoch liegt der Anteil derzeit noch im niedrigen einstelligen Bereich. Kleinteilige Ausschreibungslose für Bio, konsequente Budgetierung für den Bio-Einkauf durch die Ministerien und bessere Unterstützung für die Großküchen sind wesentlich um die öffentliche Beschaffung auf Zielkurs zu bringen. Ein Monitoring der tatsächlichen Einkaufspraxis ist unabdingbar, um die die Zielerreichung zu überprüfen.

Frage: Werden Sie die notwendigen Maßnahmen setzen, damit der Anteil biologischer Lebensmittel in der öffentlichen Beschaffung des Bundes rasch steigt und die bestehenden Ziele des Aktionsplanes Nachhaltige Beschaffung auch in der Praxis umgesetzt werden? Wenn ja, welche Maßnahmen planen Sie zu ergreifen?

Aus Sicht der FPÖ muss die Politik mit gutem Beispiel vorangehen um den Bio-Anteil in Österreich zu erhöhen. Als Schritt in die richtige Richtung soll der Aktionsplan “naBe” auch tatsächlich umgesetzt werden und kein leeres Versprechen bleiben. Auch die NEOS fordern eine konsequente Umsetzung des Aktionsplans “naBe” und verpflichtende Mindestkriterien wie eine angemessene Bio-Quote. Eine eigene Monitoringstelle soll die Einhaltung der verpflichtenden Kriterien durch die Ministerien überprüfen und die Quelle der eingekauften Lebensmittel dokumentieren. Das Fehlen solcher Monitoringprozesse ist laut ÖVP die Ursache für unzureichende Daten betreffend die nachhaltige Beschaffung. Wesentlich sei aber die Einführung von regionalen Losen und die Förderung von Kleinunternehmen. Die SPÖ spricht sich für eine Harmonisierung und Ausweitung der Kriterien des “naBe” aus, welcher derzeit weder systematisch noch flächendeckend Anwendung fände. Zudem plädiert die SPÖ dafür, bereits bestehende gesetzliche Möglichkeiten besser zu nutzen und möchte den Einsatz von Steuergeldern standardmäßig an sozial-ökologische Bedingungen binden, auch bei der öffentlichen Beschaffung. Für die GRÜNEN ist es ebenfalls ein Anliegen den Bio-Anteil in der öffentlichen Beschaffung zu erhöhen. Neben eigenen Bio-Ausschreibungen und einer Beratung von Großküchen und Kantinen brauche es dafür auch Transparenz zum Einkaufsverhalten der Ministerien.

Gentechnik-Freiheit absichern

Gentechnik-freie Innovation sowie Wahlfreiheit bei der Verwendung und dem Konsum von gentechnisch manipulierten Produkten sind Kern-Elemente, die Österreichs Landwirtschaft und Ernährungswirtschaft auszeichnen. Doch genau das steht nun auf dem Spiel: Das EU-Recht zur Gentechnik wird derzeit einer Überprüfung unterzogen – und geht es nach der EU-Kommission sollen die Schutzbestimmungen aufgeweicht werden. Bäuerinnen und Bauern sowie die Konsument:innen möchten in Österreich aber auch zukünftig das Recht haben, auf Gentechnik verzichten zu können. Dafür braucht es eine verpflichtende Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit und Koexistenzmaßnahmen.

Frage: Treten Sie für verpflichtende Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit und Koexistenzmaßnahmen auch für neue Gentechnik ein?

Die GRÜNEN fordern die Aufrechterhaltung des Vorsorgeprinzips bei Neuer Gentechnik. Zudem sprechen sie sich für eine Risikoüberprüfung bei der Zulassung und eine Kennzeichnung vom Saatgut bis zum Endprodukt aus. Es brauche zudem nationale Spielräume, um Anbauverbote verhängen zu können. Die Neue Gentechnik muss gleich behandelt werden wie die Alte Gentechnik, so die SPÖ. Entsprechend dem Vorsorgeprinzip müssen also Rückverfolgbarkeit, Risikoabschätzung und Kennzeichnung in den Regelungen enthalten sein. Durch Koexistenzmaßnahmen würde die Wahlfreiheit für Landwirt:innen wie Konsument:innen gewährt werden. Für die FPÖ müssen gentechnisch manipulierte Lebensmittel umfassende Anforderungen an Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit erfüllen. Nur so sei die Wahlfreiheit der Konsument:innen gesichert und eine unwissentliche Verwendung zu vermeiden. Auch die ÖVP pocht auf Wahlfreiheit und nachvollziehbare Warenströme. Patente auf Tiere und Pflanzen werden abgelehnt, um so kleine bis mittelständische österreichische Unternehmen nicht vom internationalen Züchtungsfortschritt abzukoppeln. Die NEOS geben zwar an für eine Kennzeichnung neuer Gentechnik zu sein, machen in den Erläuterungen allerdings klar, dass sich dieses „Ja“ nur auf einen Bruchteil solcher Gentech-Pflanzen bezieht. Für die sogenannte Neue-Gentechnik-Pflanzen der Kategorie 1″ (NGT 1) stellen die NEOS die Sinnhaftigkeit und Möglichkeit einer verpflichtenden Kennzeichnung, der Rückverfolgbarkeit und von Koexistenzmaßnahmen in Frage. Laut Experteneinschätzung gehören über 90% der mit neuer Gentechnik erzeugten Pflanzen dieser

Kategorie an.(1) Den überwiegenden Teil der Pflanzen, die mit neuer Gentechnik erzeugt werden, wollen die NEOS daher nicht als „gentechnisch verändert“ gekennzeichnet wissen. Dadurch würde der Wahlfreiheit für den Gentechnik-freie Weg die Grundlage entzogen werden. (2)

5. Tierwohl-Kennzeichnung mit Bio-Stufe

Bei der EU-Kennzeichnung für Frischeier ist es schon lange erfolgreich gelebte Praxis: bei dem mehrstufigen Tierwohl-Kennzeichnungssystem stellt die biologische Landwirtschaft die höchstwertige Stufe dar. Zu Recht, denn die biologische Landwirtschaft erfüllt die höchsten Ansprüche an das Tierwohl.  Eine Tierhaltungs-Kennzeichnung für alle tierischen Produkte mit Bio als eigener und höchstwertige Stufe führt zu mehr Transparenz und Fairness am Markt. Das wiederum ermöglicht es den Bäuerinnen und Bauern, ihre hohen Investitionen in Tierwohlstandards am Markt auch monetär abzugelten. In Deutschland wurde dies bereits so umgesetzt.

Frage: Werden Sie im Rahmen einer nationalen (freiwilligen) bzw. EU-weiten (verpflichtenden) Tierhaltungskennzeichnung dafür eintreten, dass die biologische Landwirtschaft in einem mehrstufigen Kennzeichnungssystems als eigene und höchstwertige Stufe verankert wird?

Die GRÜNEN haben eine solche Tierhaltungskennzeichnung mit Bio als eigener und höchstwertiger Stufe in ihren Vorschlägen bereits ausgearbeitet und setzen sich schon länger dafür ein. Die SPÖ möchte Österreich zu einem Tierwohlmusterland entwickeln. Dafür müsse eine Herkunftskennzeichnung mit einer Tierwohlkennzeichnung verknüpft werden. Die jeweiligen Stufen dürften sich dabei aber nicht nur marginal unterscheiden. Die biologische Produktionsweise soll dabei entsprechend ihres besonders hohen Niveaus hervorgehoben werden. Die NEOS fordern eine EU-weite Einführung höherer gesetzlicher Tierhaltungs-Mindeststandards. Eine Haltungskennzeichnung sei wichtig, um bewusste Kaufentscheidungen treffen zu können und das Bewusstsein für artgerechte Tierhaltung zu sensibilisieren. Dafür müssten aber einheitliche Standards für die Kennzeichnung festgelegt, kontrolliert und etabliert werden.  Ein erhöhter Bürokratieaufwand für die Betriebe oder die Zunahme an unübersichtlichen Siegeln müsse dabei jedenfalls verhindert werden. Die FPÖ spricht sich gegen eine Tierhaltungskennzeichnung aus. Stattdessen wird eine lückenlose Herkunftskennzeichnung gefordert. Diese soll eine strenge Auslegung der EU-Primärzutaten-Verordnung umfassen sowie eine Herkunftskennzeichnung von wenig verarbeiteten Lebensmitteln und in Großküchen für Fleisch, Eier und Milch. Freiwillige Kennzeichnungssysteme sollen gerade im Bio-Bereich besser unterstützt werden. Die ÖVP argumentiert, dass der Konsument über den Produktionsauftrag entscheide; die Haltungsformen sollen marktkonform weiterentwickelt und adäquat abgegolten werden. Und es brauche eine Harmonisierung von Produktions- und Tierwohlstandards in Europa. Dass sich die ÖVP diesbezüglich nicht festlegt ist überraschend, enthält doch die erst heuer vom Bundesministerium für Landwirtschaft veröffentlichte „Vision 2028+“ als Ziel die Auslobung der Haltungsform bei tierischen Produkten in einem fünfstufigen Modell mit „Bio als eigener Stufe an der Spitze“(3).

 Antworten im Original-Wortlaut 

Wahlhilfen im Internet


(1) Eine Analyse des deutschen Bundesamts für Naturschutz zeigt, dass 94 % der Neue-Gentechnik-Pflanzen der sogenannten Kategorie NGT1 zuzuordnen sind, siehe www.bfn.de/aktuelles/studie-zur-auswirkung-des-verordnungsentwurf-der-eu-kommission-zu-neuen-genomischen

(2) In einer ausführlichen Befragung der Parteien zum Thema Gentechnik durch die Arge Gentechnik-frei erzeugte Lebensmittel haben sich die NEOS ebenfalls gegen eine konsequente Kennzeichnung aller Pflanzen ausgesprochen, die mit neuer Gentechnik erzeugt wurden: gentechnikfrei.at/der-parteien-check

(3) Siehe S. 63 der Vision 2028+: „Die Haltungsform wird bei tierischen Produkten in sämtlichen Produktionssparten ausgelobt. Die AMA-Marketing dient als Plattform für die Umsetzung, und die Landwirtschaft spielt eine aktive Rolle in der Gestaltung der Auslobung. Ziel ist ein fünfstufiges Modell mit Bio als eigener Stufe an der Spitze und mit einer visuellen Darstellung, bei der die Herkunft im selben Sichtfeld mit der Haltungs-form ausgelobt wird.“ info.bml.gv.at/dam/jcr:4ad27a3b-2963-4bc6-ba28-b9d581c87ec9/VISION%202028_Brosch%C3%BCre_barrierefrei.pdf