Neues Gentechnik-Recht in der Sackgasse

Veröffentlicht am 20. Februar 2025
© Gerhard Plakolm
© Gerhard Plakolm

Nicht nur die Wahlfreiheit für Gentechnik-freie Landwirtschaft ist gefährdet. Ein neues Gutachten deckt auf, dass der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Deregulierung auch in der Frage der Haftung misslungen ist.

Anstatt das bewährte Recht punktuell an Neuentwicklungen in der Gentechnik anzupassen hat die Europäische Kommission Mitte 2023 ein neues Gesetz vorgeschlagen: Mit neuer Gentechnik wie der Genschere CRISPR/Cas erzeugte Pflanzen (NGTs) sollten demnach Großteils von der verpflichtenden Sicherheitsprüfung, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung ausgenommen werden sollen. Die Wahlfreiheit von Bauern und Konsumenten für den Gentechnik-freien Weg wird damit mit Füßen getreten. Doch noch gibt es die notwendige Mehrheit nicht, um diesen Vorschlag in gültiges Recht zu verwandeln. Höchst umstritten ist etwa die Frage der Patentierung von NGTs.

Streitpunkt Bio-Patente

Patente auf NGT können auch natürlich vorkommende Eigenschaften von Pflanzen umfassen. Neue Gentechnik wirkt damit wie ein Brandbeschleuniger für solche Bio-Patente. Bäuerliche und gewerbliche Züchter laufen bereits heute Gefahr in Patentstreitigkeiten verwickelt und mit Forderungen nach Lizenzzahlungen konfrontiert zu werden. Wenn NGTs nicht mehr als solche gekennzeichnet und rückverfolgbar sind, dann wird Züchtungsarbeit überhaupt zum Tanz auf dem Vulkan. Auf dem Spiel stehen nicht weniger als der freie Zugang zu Zuchtmaterial und damit Fortschritte in der traditionellen Züchtung und die Kulturarten-Vielfalt.

Gentech-Firmen wälzen Haftung ab

Nun wirft ein neues Rechtsgutachten ein zusätzliches Problem auf: Mit dem Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission würde die Durchführung von Sicherheitsprüfungen vom Gentechnikrecht in das Novel-Food-Recht und damit zu den Lebensmittelunternehmen verlagert werden. Damit würden neue Kosten und Risiken auf die Lebensmittelwirtschaft zukommen. Die Biotech-Industrie könnte das Haftungsrisiko auf Lebensmittelunternehmen abwälzen. Und diese kann sich nicht einmal absichern, da aktuell europaweit kein Anbieter Gentechnik-Risiken versichert.

Europaparlament, Agrarmisterrat und Europäische Kommission verhandeln die Gesetzesinitiative weiter. BIO AUSTRIA und unser Bio-Dachverband IFOAM Organics Europe fordern, dass die Gentechnik-freie Produktion durch Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit und „Koexistenz“-Maßnahmen geschützt wird. Der Monopolisierung von Pflanzen durch Patente muss ein Riegel vorgeschoben werden. Die Österreichische Bundesregierung vertritt in den Verhandlungen die Position, dass neue Gentechnik wie alte Gentechnik zugelassen und geregelt werden soll. Vor den Nationalratswahlen haben sowohl ÖVP als auch FPÖ gegenüber BIO AUSTRIA zugesichert, dass sie diese Linie beibehalten wollen. BIO AUSTRIA fordert eine Verankerung im Regierungsprogramm.

Kontakt

  • Mag. Thomas Fertl

    BIO AUSTRIA, Leitung Agrarpolitik und Internationale Beziehungen
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