Ordentlich g’schlampert!

© Markus Danner
©Markus Danner

Die Vielfalt liegt nicht nur Naturschützern am Herzen. Auch Bäuerinnen und Bauern sind oft begeisterte Präsentatoren ihrer kleinen und großen Naturschätze.

Nicht ungern werden sie hergezeigt, die speziellen Plätzchen, an denen sich mitunter eigenartige Dinge abspielen, welche zu beobachten stille Freude bereitet. Sie ist oft zu erkennen am gemütlichen, gütigen und zufriedenen Lächeln, wenn erzählt wird vom bunten Treiben der „Oadachsln“, „Heischreggn“, von verschiedensten Faltern und sonstigem Fluggetier, von Wespenspinnen, Schlangen, seltenen Eulen, Spechten oder anderem. Viele diese stillen Plätzchen haben eines gemeinsam: Sie sind aus einer nicht so streng ausgelegten Ordnung entstanden. Das heißt: ordentlich g’schlampert!

Ein Baum voller Leben

Am Königsberg in St. Georgen im Salzburger Flachgau auf dem Betrieb von Marianne und Robert Bandzauner steht ein bemerkenswerter Birnbaum. Eine Stammhälfte scheint tot zu sein, die andere hängt noch irgendwie am eigenen Leben. Der Blick steigt dem Stamm entlang ins Geäst und nimmt eine innige Umarmung wahr – die lebende und die bereits abgestorbene Baumhälfte will die jeweils andere nicht loslassen. Schön, dass da niemand mit der Motorsäge dazwischengefahren ist.
Der Baum trägt in seinem Lebenswillen sogar Früchte. Der Stamm ist hohl. In ihm scheint es rund zu gehen, wie die nach außen verfrachtete Menge an morschem Gewebe, gemischt mit kleintierischen Hinterlassenschaften verrät. Dieser Baum ist ein Gigant. Wie er hier steht, den Jahrzehnten, Wind und Wetter trotzt, und einer Unzahl von Lebewesen Heimat und Schutz bietet. Niemals, so bleibt innerlich das Gefühl, niemals sollte er von hier verschwinden.
Er ist Teil eines alten Obstgartens, in dem auch ein altes, ungenutztes Gebäude steht. Das alte Zeug, das herumliegt, ermöglichte den Aufwuchs einer kleinen Wildnis, in der liegendes und stehendes Totholz mit Brennnesseln, Wildobst und Hollerstauden ein kleines Refugium für verborgenes Leben bildet.

Ein Reich für Insekten

Auch „Innergebirg“, so nennen die Salzburger ihre Gebirgsgaue, nehmen sich BIO AUSTRIA-Bäuerinnen und -Bauern der Vielfalt an. Karin und Ernst Mosshammer aus Saalfelden haben im Insektenreich neue Freunde gefunden. Damit die Freunde zahlreich werden und wurden, lockte man sie an. Das Angebot wurde rasch dankbar angenommen. Extensivierte Wiesen, ungedüngte Feucht- und Trockenschläge und speziell bewirtschaftete Waldrand- und Wassergrabenzonen bieten seit einigen Jahren Zeit und Raum für die ungestörte Entwicklung von Hautflüglern, Tag- und Nachfaltern, (Wespen-) Spinnen und botanischen Raritäten, wie wir sie oft nur mehr „von früher“ kannten.
Hier wird der „abgestufte Wiesenbau“ bis an die Grenzen des Denkbaren ausgebaut und umgesetzt. Die Zunahme der Artenvielfalt ist höchst beeindruckend und hat den Betrieb in seiner Lebensfähigkeit beziehungsweise Wirtschaftlichkeit in keiner Weise negativ beeinflusst. Im Gegenteil, inzwischen kann Karin Mosshammer Exponate ihrer wunderbaren Makrofotografien von Insekten und anderen Naturmotiven verkaufen.

Der Große Warzenbeißer

Stefan Höllwarth aus Niedernsill im Pinzgau ist einer jener „Vielfalter-Bauern“, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Vielfalt auf ihrem Betrieb zu entdecken, zu dokumentieren und anderen zugänglich zu machen. Bei ihm gilt ein besonderes Augenmerk dem Großen Warzenbeißer. Einer beeindruckenden Heuschreckenart, die durch ihre Größe, ihre Entwicklungszeit und ihr Angewiesen sein auf ungestörte Lebensräume sehr selten geworden ist. Wo wir den Riesenhüpfer suchten, fanden wir ihn nicht, wo wir ihn nicht vermuteten, schon. Wodurch wieder bewiesen war, dass die gering frequentierten Wiesen (zweimähdig im Berggebiet) der Entwicklung größerer Insekten bei entsprechender Nutzungssorgfalt Möglichkeiten bieten.

Zeit und Raum geben

Der botanischen Verarmung der landwirtschaftlich genutzten Wiesen muss vor allem im Alpenvorland entgegengewirkt werden. Jede Pflanzenart ist Grundlage der Existenz mehrerer Tierarten. Verschiedenste Initiativen wurden dazu ins Leben gerufen. Bei BIO AUSTRIA wird der abgestufte Wiesenbau als das grundlegende Konzept betrachtet, der Natur auf jedem Grünlandbetrieb ihren Platz wieder einzuräumen. Daneben gibt es Blumenwiesen-Initiativen, Blühstreifen-Aktionen und einiges mehr. In Summe ergibt sich daraus schon ein recht buntes Bild in der Landschaft, wenngleich es zweifelsfrei notwendig ist, ein die ganze Landschaft überziehendes Mosaik an Flächen zu schaffen, in denen die Uhr etwas langsamer ticken darf. Dann werden Insekten, Vögel, Kleinsäuger und Greifer als Glieder der Nahrungskette wieder ineinandergreifen können.

Autor:
Ing. Markus Danner, BIO AUSTRIA Salzburg
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