Was sind uns unsere Lebensmittel wert?
Bei den billigen Preisen im Diskonter fragen wir uns, ob die Lebensmittel im Korb wirklich um einen so niedrigen Preis vernünftig hergestellt werden können. Beim Hofladen um die Ecke beschleicht uns im Gegensatz dazu das Gefühl, zu viel für den Einkauf ausgegeben zu haben. Was davon ist richtig?
So viel kann vorweggenommen werden: so gut wie jede Lebensmittelgruppe wird zu günstig verkauft.
Wenn wir Lebensmittel einkaufen bezahlen wir für diese doppelt. Einmal an der Kassa und einmal etwas versteckter in Form von Folgekosten für Umweltschäden. Und zwar nicht wenig. In Großbritannien zahlt man beispielsweise für jedes Pfund, das man für Lebensmittel ausgibt ein zusätzliches Pfund für ebendiese Mehrkosten. Das belegt eine Studie aus dem Jahr 2017. (1)
Dieses Geld fließt dann zum Beispiel in die Aufbereitung von Trinkwasser, das unter anderem durch den hohen Düngemitteleinsatz stark mit Nitrat belastet ist. Und auch Schäden und Ausbeutung von Ressourcen im Globalen Süden reihen sich in diese Liste ein.
Wäre es da nicht spannend, als Konsument:in zu wissen, wie viel die Produkte tatsächlich kosten?
In der Tat, denn durch die niedrigen Preise halten wir die Lebensmittel für günstig und kaufen gleich noch mehr davon. Das führt wiederum dazu, dass uns Lebensmittel weniger wert sind und wir schneller dazu geneigt sind, sie zu entsorgen. Und das obwohl 60-70% der Produkte auf so eine Weise hergestellt sind, dass sie unsere planetaren Grenzen überschreiten. Das heißt, wir würden für deren Produktion eigentlich weit mehr als eine Erde benötigen.
Aber welche Produkte kann man dann überhaupt noch mit einem guten Gewissen kaufen?
Eine deutsche Studie kam 2018 zu dem Ergebnis, dass jedes Lebensmittel mehr kosten müsste, würde man den wahren Wert dafür verlangen. Allerdings gibt es dabei eine große Spannweite. Pflanzliche Bio-Produkte würden zum Beispiel nur um 6% Mehrkosten verursachen. Konventionelle Fleischprodukte müssten hingegen um fast 200% teurer verkauft werden. (4) Pflanzliche Produkte haben also in diesem Fall die Nase vorne. Ein zusätzlich entscheidender Faktor ist aber ohne Zweifel die biologische Produktion. Denn konventionell hergestellte pflanzliche Produkte würden auch schon mit 28% Mehrkosten zu Buche schlagen.
Das zeigt sich auch in der Praxis. Denn deutsche Biohöfe sparen pro Hektar bis zu 800€ an Klimafolgekosten ein. Und das pro Jahr. Das könnte dem Staat 1,5 Milliarden jährlich sparen. Diese Ergebnisse aus der Studie von Hülsbergen sind brandaktuell und sprechen eine klare Sprache. (2)
Heißt das, ab jetzt wird alles teurer?
Hier geht es nicht darum, guten Gewissens Preise aufzuschlagen. Was die Forschung in diesem Bereich bezwecken möchte, ist Bewusstsein für derartige versteckten Kosten schaffen. Das Ziel soll sein, die Erzeuger:innen angemessen für ihre Produkte zu entlohnen und jedem Menschen den Zugang zu einer gesunden Ernährung – angelehnt an die Planetary Health Diet – zu gewährleisten. Das würde eine Umgestaltung des aktuellen Ernährungssystems mit sich bringen, die aber durchaus sozialverträglich vonstatten ginge.
Das ist ein wichtiger Punkt. Denn eine Studie vom FibL zeigt, dass ein gesunder Bio-Einkaufskorb nicht teuer sein muss. Im Gegenteil: 12€ mehr kostet es beim Wocheneinkauf auf die gesünderen Bio-Alternativen im Vergleich zu den gängigen Markenprodukten zu setzen. Ein Betrag, den wir an anderer Stelle womöglich ohne groß nachzudenken ausgeben würden. Bei den Lebensmitteln drehen wir aber gerne jeden Euro noch ein weiteres Mal um.
Warum das so ist? Die Wertigkeit von Nahrungsmitteln hat in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Essen nimmt im Vergleich zum Jahr 1954, in dem wir noch 45% für unsere Ernährung ausgegeben haben, mit heute 11% nicht mehr den größten finanziellen Brocken in unserem Haushaltsbudget ein. (3)
Nichtsdestotrotz sieht man mit einem stetig steigende Zunahme des Bio-Konsums, dass sich immer mehr Kund:innen bewusst für das vermeintlich teurere Produkt im Regal entscheiden, um in weiterer Folge höhere Kosten, die die gesamte Gesellschaft treffen, zu reduzieren. Für eine große Veränderung braucht es aber nicht nur bewusste Konsument:innen, sondern eine Veränderungen des Systems „wer billig kauft, kauft richtig. Das kann gelingen, wenn Politik, Organisationen und Bevölkerung an einem Strang ziehen.
Referenzen
- Ian Fitzpatrick, Richard Young and Robert Barbour with Megan Perry, Emma Rose and Aron Marshall (2019): The Hidden Cost of UK Food, Sustainable Food Trust, https://sustainablefoodtrust.org/wp-content/uploads/2022/01/Website-Version-The-Hidden-Cost-of-UK-Food_compressed.pd
- Hülsbergen K. J. et al.: Umwelt- und Klimawirkungen des ökologischen Landbaus, Weihenstephaner Schriften – Ökologischer Landbau und Pflanzenbausysteme, https://www.bio-austria.at/a/bauern/studie-zu-umwelt-und-klimawirkungen/
- https://www.etoe.at/ist-bio-zu-teuer-oder-koennen-wir-uns-billige-lebensmittel-nicht-mehr-leisten/
- Michalke A. et al. (2019) How much is the dish? – Was kosten uns Lebensmittel wirklich? In: Mühlrath, Daniel; Albrecht, Joana; Finckh, Maria R.; Hamm, Ulrich; Heß, Jürgen; Knierim, Ute und Möller, Detlev (Hrsg.) Innovatives Denken für eine nachhaltige Land- und Ernährungswirtschaft. Beiträge zur 15. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, Kassel, 5. bis 8. März 2019, Verlag Dr. Köster, Berlin. https://orgprints.org/id/eprint/36212/