Ja zur Veränderung in Töpfen und Köpfen!
Bio in Schulküchen ist noch keine Selbstverständlichkeit. Über Hintergründe, Lösungsansätze und Erwartungen an die Lieferantinnen und Lieferanten sprechen wir mit Anna Strobach, ehemalige Leiterin eines Schulbuffets und Obfrau des Vereins ZUKUNFT ESSEN.
Was bedeutet für dich ein gutes Schulessen?
Anna Strobach: Ein gutes Schulessen sollte vor allem schmecken und die Kinder dazu ermutigen, verschiedene Gerichte zu probieren. Es ist nachhaltig, gesundheitsfördernd und für alle Familien erschwinglich. Die Herausforderung in der Küche besteht darin, all diese Aspekte unter einen Hut zu bringen.
Wie lässt sich der Bio-Anteil in Großküchen erhöhen? Hier ist doch die Politik am Zug.
Für eine Steigerung des Bio-Anteils in der Gemeinschaftsverpflegung sind ganzheitliche Ansätze wie in Kopenhagen gefragt. Dort wurde stark in die Ausbildung von Köchinnen und Köchen, den Ausbau der Kücheninfrastruktur, den Aufbau regionaler Lieferstrukturen und die Bewusstseinsbildung bei Konsument:innen investiert. Auch in Österreich gibt es Vorreiter:innen, zum Beispiel das Burgenland. Dort wird in den nächsten Jahren der Bio-Anteil in landesnahen Küchen, Schulen und Kindergärten auf 100 Prozent gesteigert. Ohne politischen Willen ist es für Küchen sicher schwer, einen hohen Bio-Anteil umzusetzen. Die Ernährung unserer Bevölkerung ist zentral für eine gesunde Gesellschaft und einen gesunden Planeten. Eine gute Verpflegung muss daher in der Prioritätenliste ganz nach oben wandern. Sinn macht es, bei den Kindern anzufangen. Ernährungsgewohnheiten werden in den ersten Lebensjahren geprägt. Begeistern wir die Kinder für eine gesunde und nachhaltige Ernährung und legen wir so das Fundament für die kommenden 80 bis 90 Jahre und darüber hinaus!
Wer entscheidet eigentlich, wie in Schulen und Kindergärten gekocht wird?
Es gibt sehr viele Entscheidungsträger. In Krabbelgruppen, Kindergärten, Volksschulen und Mittelschulen liegt die Zuständigkeit bei den Gemeinden. In Gymnasien entscheidet die Schule selbst, oft mit Unterstützung durch die Bildungsdirektion. Oft werden die Aufträge für die Verpflegung für einen langen Zeitraum von 15 oder 20 Jahren vergeben. Wer also heute ohne einen Bio-Anteil ausschreibt, hat mitunter auch 2040 noch keine Bio-Lebensmittel.
Wo liegen die Herausforderungen in den Großküchen?
Es beginnt beim Mangel an Personal, der mit moderner Küchenausstattung zum Teil kompensiert werden könnte. Hinzu kommen der Kostendruck und ein stressiges Arbeitsumfeld. Die Anforderungen an Qualität, Gesundheit und Einkauf sowie Dokumentation steigen stetig. Was auch demotiviert: Lob erhält man in der Großküche selten, Kritik dafür sehr wohl.
Wie schafft man trotzdem mehr Bio in der Küche?
Dem Kochen mit Bio-Produkten geht ein ganzheitliches Umdenken voraus. Küchenleiterinnen erkennen den tiefen Sinn ihrer Arbeit. Gutes Essen ist Klima- und Umweltschutz, Gesundheitsprävention, Genuss, Freude, Wertschätzung für Mensch und Tier. Wer täglich 500 Portionen kocht, prägt unser Ernährungssystem, aber auch das Bewirtschaftungssystem in der Landwirtschaft ganz wesentlich mit. Man beginnt mit der Umstellung von Warengruppen, die in Bio-Qualität nicht viel mehr Kosten als konventionelle Ware, zum Beispiel Milch, Getreide, Rindfleisch, Gemüse, Hülsenfrüchte, Teigwaren. Dann beginnt man damit, die Speisekarte zu überarbeiten, Portionsgrößen zu verringern, den Anteil pflanzlicher Gerichte zu steigern und mehr frisch zuzubereiten statt Tiefkühlware zu verkochen. Zudem hilft ein Abfallmonitoring bei der Reduktion von Kosten. Schließlich entstehen österreichweit jährlich in der Gemeinschaftsverpflegung 61.000 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle. Die Verwertung des gesamten Tieres ist ebenso wichtig wie der Aufbau von direkten Beziehungen zu Biohöfen in der Region.
Was wird von zuliefernden Betrieben erwartet?
Küchen müssen sich auf ihre Lieferantinnen und Lieferanten verlassen können. Wenn Ware nicht, zu spät oder nicht in ausreichender Menge kommt, verursacht das einen massiven Stress. Sollte etwas nicht verfügbar sein, hilft eine gute Vernetzung und Kooperationsbereitschaft der Bauern untereinander. Wenn die eigene Ware einmal nicht reicht, kann man Ware von einem befreundeten Betrieb liefern und dadurch ein verlässlicher Partner sein. Sollte mal etwas nicht passen, hilft eine offene Kommunikation, um gemeinsam Abläufe zu optimieren.
Wie soll ich vorgehen, wenn ich in Schule, Kindergarten oder Pflegeheim einen höheren Bio-Anteil erreichen möchte?
Einzelkämpfer haben es oft schwer, daher ist es wichtig, andere Personen zur gesundheitsfördernden, nachhaltigen Verköstigung der Kinder zu begeistern. Genau hierfür bieten wir vom Verein ZuKunFt EssEn Beratungen für Großküchen, Gemeinden, Schulen, Kindergärten und auch Eltern an. BIO AUSTRIA bietet zudem Beratung für Großküchen an, die Bio-Lieferant:innen suchen oder an einer Bio-Zertifizierung interessiert sind.
Du hast den Verein ZUKUNFT ESSEN gegründet. Was steht dahinter?
Als ehemalige Betreiberin einer Schulküche habe ich gemerkt, wie einfach es ist, Kinder für gutes Essen zu begeistern. Gleichzeitig bin ich sehr oft an strukturelle Grenzen gestoßen – zu wenig Strom, zu wenig Platz, kein Speisesaal, keine Abluft, niemand fühlt sich zuständig. Nach sechs Jahren gaben wir unsere Schulküche auf. Ich wollte unbedingt an dem Thema weiterarbeiten und habe gemeinsam mit Manuel Schätzer den Verein ZUKUNFT ESSEN gegründet. Unser Ziel ist es, jedem Kind Zugang zu einem gesunden und schmackhaften Schulessen zu ermöglichen. Wir sind die Anlaufstelle für alle, die an der Verpflegung der Kinder etwas verbessern möchten.
Zur Person
Anna Strobach studierte an der Universität für Bodenkultur Wien. Sie leitete ein Schulbuffet an einem Gymnasium mit 900 Kindern in Kärnten und gründete den Verein ZUKUNFT ESSEN. Sie setzt sich für ein qualitativ hochwertiges, gesundes Essen für Kinder in Kindergärten und Schulen ein.
Gesamtes Interview
Das gesamte Interview mit Anna Strobach können Sie auch nachhören.
Zusammenarbeit ZUKUNFT ESSEN x BIO AUSTRIA
BIO AUSTRIA und ZUKUNFT ESSEN sind Kooperationspartner bei einem 4-jährigen Förderprojekt finanziert von Bund, Ländern und Europäischer Union. Im Rahmen des Projekts „Bio in der Gemeinschaftsverpflegung? Das geht!“ werden Maßnahmen und Aktivitäten realisiert, welche die Machbarkeit von Bio in Großküchen mit Schwerpunkt Kinder- und Jugendernährung aufzeigen.
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